16.08.2000Bonino online
Italiens Radikale Partei lässt neuerdings ihren Parteivorstand via Internet wählen.
Von Oliver Meiler, Rom
So kennt man sie, Emma Bonino: mit einer Zigarette in der rechten, die linke Hand an der Hüfte und mit allen per Du. Die ehemalige EU-Kommissarin ist das Aushängeschild des Partito radicale, einer liberalen Partei, die es bei den letzten Europawahlen in Italien überraschend auf 8,5 Prozent der Wählerstimmen brachte. Dank Emma, der Volksnahen. Sie ist immer zuvorderst dabei, wenn die Radikalen eine Politschlacht für mehr Bürgerrechte fechten, ist die Erste, die hungert, wenn das Ziel mit einem Hungerstreik erreicht werden soll. Sie steht gerne im Rampenlicht. Bonino war auch am Dienstag zugegen, mitten in den Sommerferien, als die Radikalen ihre jüngste Initiative lancierten - unter den verwunderten Blicken von Pilgern und Touristen, an einem voll computerisierten Stand am Römer Trevi-Brunnen.
Europäische Premiere
Diesmal gehts um Internet. Die Radikalen wollen Italiens erste Internetpartei werden. Sie haben Recherchen betrieben: Was sie da beschlossen haben, ist offenbar gar eine europäische Premiere. Ab sofort können sich die acht Millionen Internetbenützer in Italien über die Homepage http://www.radicali.it als Wähler des Parteivorstands registrieren lassen. Vorerst einmal wird ein Viertel (25) der Mandate so vergeben - per Mausklick. Gewählt wird Anfang Oktober. Zuvor werden die Kandidaten eine Woche lang Zeit haben, via E-Mail ihre politischen Ideen kundzutun.
Die Partei verlangt nebst einer elektronischen auch die Postadresse und die Telefonnummer von ihren virtuellen Wählern. So soll verhindert werden, dass Parteigegner die Aktion sabotieren können. Jeder Wähler kriegt dann, nachdem seine Ernsthaftigkeit geprüft worden ist, ein Passwort zugeschickt, das ihm Zugang zur elektronischen Ausmarchung gibt.
Eine Bresche für E-Politics
So viel zur Methodik. Bonino will mit der Operation abstinente, politikverdrossene Schichten mobilisieren, vor allem die Jugendlichen. Sie verweist auf eine US-Umfrage, bei der 61 Prozent der befragten Amerikaner bekräftigten, sie würden an Wahlen teilnehmen, wenn sie es von ihrem Computer aus tun könnten. Für Italiens Radikale stellt die Wahl ihres Vorstandes denn auch nur einen Pilotversuch dar. Ziel ist es, die anderen Parteien - und schliesslich den Staat - von den Segnungen des Netzes zu überzeugen. "Wenn die neue Technologie für Handel und Business gut und sicher genug ist, warum sollte man sie nicht auch in der Politik anwenden?", fragt Bonino. Bei Wahlen etwa oder künftig beim Sammeln von Unterschriften.
Erst einmal kämpfen die Radikalen noch mit technischen Problemchen: Just im Moment, als die TV-Kameras die Demonstration einer "ganz einfachen" Wählerregistrierung unter einem Sonnendach vor der Fontana di Trevi filmen wollten, stiegen die Computer aus.
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