Der Spiegel, 4/3/1996 (1.174.000 ex.)
Mit einer ungewölnlichen Aktion wollen am kommenden Sonntag mehrere hundert Bürgermeister aus ganz Europa gegen die Unterdrückung der Tibeter durch die Chinesen demonstrieren. Zum Jahrestag des Volksaufstandes der Tibeter in ihrer Hauptstadt Lhasa, der von den Chinesen 1959 blutig niedergeschlagen wurde, werden die Bürgermeister auf Rathäusern und Plätzen die Flagge des freien Tibet hissen. Zugesagt haben bis vergangenen Freitag rund 450 Stadtoberhäupter aus über 20 Nationen. Ausserdem wird eine grosse Demonstration in Brüssel die Protestaktion begleiten. So wird die tibetische Flagge etwa über den Rathäusern von Brüssel, Rom, Liverpool, Strassburg, Malaga, Budapest und Sarajevo wehen. Während allein in Italien rund 220 Gemeinden ihre Solidarität mit den unterdrückten Tibetern bekunden wollen, halten sich deutsche Stadtoberhäupter zurück. Bisher wollen nur 7 Bürgermeister die in China verbotene Fahne auf ihrem Dienstsitz setzen, darunter Otto Kelling in Kiel. Auch Stuttgart soll geflaggt werden.
In den vergangenen Jahren war es in Lhasa immer wieder zu blutingen Zusammenstössen zwischen Tibetern und chinesischen Ordnungskräften gekommen.