eingereicht von den Abgeordneten ...zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Drogen
Das Europäische Parlament,
A. in der Erwägung, da die irische Präsidentschaft den Kampf gegen den
Drogenmi brauch in den Katalog der vorrangigen Aufgaben für das kommende
Halbjahr aufgenommen und der Europäische Rat erneut bekräftigt hat, da die
Untersuchung über die Harmonisierung der einschlägigen Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten unbedingt abgeschlossen werden mu ,
B. unter Hinweis darauf, da die weltweit geführte Drogenpolitik auf den UN-Übereinkommen von 1961, 1971 und 1988 beruht und nach diesen Übereinkommen
insbesondere die Herstellung, der Handel, der Verkauf und der Konsum einer
ganzen Reihe von Substanzen - au er zu medizinischen oder wissenschaftlichen
Zwecken - untersagt sind,
C. unter Hinweis darauf, da Produktion und Konsum der verbotenen Stoffe
ungeachtet der beträchtlichen Ressourcen, die für die Politik der Drogen-
bekämpfung aufgewandt werden, in den letzten 30 Jahren exponentiell zugenommen
haben, was ein völliges Scheitern dieser Politik bedeutet, wie es auch von den
Polizei- und Vollzugsbehörden eingestanden wird,
D. insbesondere in Erwägung nachstehender Gründe:
Produktion und Handel
- Die zunehmenden Gewinne, die kriminelle Organisationen im Handel mit
illegalen Substanzen erzielen und die sie erneut in kriminelle Aktivitäten
investieren bzw. in den legalen Wirtschaftskreislauf einschleusen, haben ein
derartiges Ausma erreicht, da die Grundlagen der rechtmä igen Institutionen
und des Rechtsstaates sogar in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
erschüttert werden.
- Angesichts der Rentablität des Handels mit illegalen Stoffen wird sich die
Zahl der Erzeugerländer zwangsläufig erhöhen, und es ist damit zu rechnen,
da massiv in die Erforschung und die Herstellung neuer chemischer Drogen -
auch innerhalb der Europäischen Union - investiert werden wird.
- Die beträchtlichen Mittel, die zur Bekämpfung des Handels mit illegalen
Stoffen eingesetzt werden, bewirken in erster Linie lediglich einen Anstieg
des Verkaufspreises (crime tariff), was ausschlie lich der organisierten
Kriminalität nutzt, wenn man bedenkt, da über 90% der Suchtstoffe weltweit
frei gehandelt werden.
Soziale und gesundheitliche Aspekte des Drogenkonsums
- Der Konsument illegaler Substanzen verfügt über keinerlei Information, was
die Zusammensetzung und die Wirkung solcher Substanzen betrifft. Er setzt
sich infolgedessen erheblichen Risiken aus, vor allem der Gefahr einer
tödlichen Überdosis und einer Ansteckung mit dem HIV-Virus, d.h. die Risiken
gehen weit über die von den Suchtstoffen selbst drohende Gefahr hinaus.
- Der Umstand, da illegale Substanzen heimlich konsumiert werden, stellt ein
häufig unüberwindbares Hindernis für die Vorbeugungs- und Betreuungstätigkeit
staatlicher Stellen und privater Organisationen dar; die gegenwärtige Politik
verurteilt also die Konsumenten zu einem Dasein am Rande der Gesellschaft,
so da sie sich ständig in einem kriminellen Umfeld bewegen.
- Die organisierte Kriminalität bewirkt, da die Zahl der Konsumenten zunimmt
und sie von weniger gefährlichen Stoffen wie Cannabis und seinen Derivaten
auf den Konsum sogenannter "harter" Drogen umsteigen.
- Der starke finanzielle Druck sowie der von der organisierten Kriminalität
ausgehende Druck veranlassen den Konsumenten illegaler Substanzen, selbst zum
Zwischenhändler zu werden, was zur Ausbreitung des Drogenkonsums beiträgt.
Justiz und Strafvollzug
- Die Anwendung repressiver drogenpolitischer Vorschriften führt zu einer immer
unerträglicheren Belastung der Justiz und des Vollzugswesens. Mehr als die
Hälfte aller Insassen in den europäischen Haftanstalten wird wegen Delikten
belangt, die direkt oder indirekt mit der Droge zusammenhängen.
- Die Umsetzung der gegenwärtigen Drogenpolitik führt dazu, da in die
nationale Gesetzgebung Vorschriften Eingang finden, die zu einer
schrittweisen Beschneidung der Freiheit des Individuums führen.
E. in der Erwägung, da in einer zunehmenden Zahl von nationalen Parlamenten
Überlegungen über die Richtigkeit der derzeitigen Politik angestellt werden und
nach alternativen Lösungen gesucht wird,
1. bekräftigt, da die auf die UN-Übereinkommen von 1961, 1971 und 1988 gestützte
Drogenverbotspolitik die Ursache für die immer grö ere Bedrohung breiter Teile
der Gesellschaft und der Institutionen sowie die Gefährdung der Gesundheit, der
Freiheit und sogar des Lebens aufgrund der Herstellung, des Handels, des
Verkaufs und des Konsums illegaler Stoffe ist;
2. empfiehlt dem Rat und den Mitgliedstaaten, bei der Europäischen Beobach-
tungsstelle für Drogen und Drogensucht eine Kosten-Nutzen-Analyse der in
Anwendung der Übereinkommen von 1961, 1971 und 1988 geführten Drogenpolitik
unter sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekten in Auftrag zu
geben;
3. empfiehlt dem Rat und den Mitgliedstaaten, sich mit den positiven Ergebnissen
der Politik der Risikobegrenzung (insbesondere durch Verabreichung von
Substitutionserzeugnissen), der Straffreigabe des Konsums bestimmter Stoffe,
der teilweisen Straffreigabe des Verkaufs von Cannabis und Cannabis-Derivaten
sowie der in mehreren Mitgliedstaaten praktizierten kontrollierten Abgabe von
Heroin auseinanderzusetzen;
4. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, im Sinne einer sehr viel
wirksameren Bekämpfung der organisierten Kriminalität unverzüglich
a) neue Vorschriften für die Herstellung, den Verkauf und den Konsum von
Cannabis und Cannabis-Derivaten aufzustellen;
b) die für den Konsum der übrigen illegalen Stoffe vorgesehenen Strafma nahmen
au er Kraft zu setzen;
c) ein System der öffentlichen Kontrolle des Angebots der heute noch illegalen
Substanzen einzuführen und die ärztliche Verschreibung dieser Substanzen
zuzulassen;
5. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat, der Kommission sowie
den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.