B4-0300, 0336, 0338, 0339, 0340 und 0341/97
Entschlieung zu Albanien
Das Europäische Parlament,
- unter Hinweis auf seine früheren Entschlieungen zur Lage in Albanien, insbesondere seine Entschlieung vom 13. März 1997, und die Erklärung seines Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik,
A. in tiefer Sorge über die anhaltende Unsicherheit und Not der albanischen Bevölkerung sowie über den zunehmenden Zerfall der staatlichen Organe des Landes, der für die gesamte Bevölkerung eine humanitäre Tragödie nach sich zieht; in dem Bewutsein, da skrupellose kriminelle Banden sich diese Situation zunutze machen,
B. unter Hinweis darauf, da aufgrund der katastrophalen Lage in Albanien eine direkte und unmittelbare humanitäre Hilfe erforderlich ist und ein wachsender Strom von Flüchtlingen Zuflucht in benachbarten Ländern sucht,
C. voller Bedauern über das Unvermögen des Rates, eine gemeinsame Aktion im Rahmen der Europäischen Union zu beschlieen, um eine angemessene Schutztruppe für die zügige Verteilung der humanitären Hilfslieferungen bereitzustellen und aktiv zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und der Rechtsstaatlichkeit in Albanien beizutragen,
D. gleichzeitig jedoch in Kenntnis der Tatsache, da einige Mitgliedstaaten positiv auf das Ersuchen der albanischen Regierung reagiert haben, unter dem Mandat des UN-Sicherheitsrates eine multinationale Schutztruppe aufzustellen, die dabei helfen soll, ein sicheres Umfeld für die gefahrlose Bereitstellung von internationaler Hilfe zur Linderung der humanitären Tragödie zu schaffen,
E. unter Hinweis darauf, da der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1101 die Bildung einer multinationalen Truppe zur Sicherung der humanitären Hilfe in Albanien gemä Kapitel 7 der UN-Charta genehmigt hat,
F. zutiefst bestürzt angesichts der Schiffskollision, wobei ein Flüchtlingsschiff auf der Fahrt nach Italien beteiligt war und nach Angaben der albanischen Behörden über 80 Menschen ums Leben kamen,
G. unter Hinweis auf die dringende Notwendigkeit, die demokratischen Institutionen in Albanien zu festigen und der weiteren Destabilisierung der Lage sowie der Ausbreitung der Spannungen auf Nachbarländer vorzubeugen,
H. unter Hinweis darauf, da jetzt konkrete Schritte unternommen werden müssen, um zu gewährleisten, da in Albanien freie und faire Wahlen als wesentlicher Bestandteil eines umfassenden Prozesses des demokratischen Wiederaufbaus im Lande abgehalten werden können,
I. in der Erwägung, da die Medienfreiheit in Albanien insofern erheblich eingeschränkt wird, als Fernsehen und Radio vom Staat kontrolliert werden und die Bestimmungen über dieZensur von Zeitungen im Rahmen des Notstandsrechts noch immer gelten,
1. verurteilt entschieden die anhaltenden gewaltsamen Übergriffe bewaffneter Gruppen in Albanien gegen friedfertige Normalbürger, und fordert all diese Gruppen auf, die Waffen niederzulegen und Recht und Ordnung zu wahren;
2. begrüt und unterstützt die gemeinsamen Bemühungen aller demokratischen politischen Kräfte in Albanien um die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und der Rechtsstaatlichkeit im Land;
3. ist der Auffassung, da eine aktive Politik der EU angesichts der Ereignisse in Albanien von grundlegender Bedeutung ist, um die erforderliche humanitäre Hilfe bereitzustellen, die Sicherheit im Land wiederherzustellen und eine Ausbreitung des Konflikts auf die benachbarten Staaten der Region zu verhindern;
4. begrüt den im Anschlu an die Initiative bestimmter Länder ergangenen UN-Beschlu zur Entsendung einer multinationalen Schutztruppe zwecks Sicherung der humanitären Hilfe in Albanien und fordert insbesondere diese Länder, aber auch alle Mitgliedstaaten auf, zum Erfolg dieser Manahme beizutragen und die Last der vorübergehenden Gewährung von Zuflucht für Menschen, die aus dem Land fliehen, mitzutragen;
5. kritisiert den Rat nachdrücklich für seine Unfähigkeit, einen Beschlu über eine gemeinsame Manahme nach Artikel J.3 VEU im Rahmen der Europäischen Union zu fassen, und fordert ihn dringend auf, seinen Beschlu zu überdenken;
6. bekundet den Opfern des tragischen Unfalls in der Adria sein tiefes Mitgefühl und begrüt die Ermittlungen über den Hergang des Unfalls, die die italienischen Behörden in enger Zusammenarbeit mit den albanischen Stellen durchführen;
7. hofft, da die Voraussetzungen für den demokratischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau Albaniens zügig geschaffen werden, und fordert die Kommission, den Rat und alle anderen internationalen Institutionen mit Nachdruck auf, die notwendigen Beiträge zu diesem Proze zu leisten und gleichzeitig einer engen Zusammenarbeit mit regierungsunabhängigen Organisationen, die auf diesem Gebiet bereits aktiv sind, Vorrang zu geben;
8. unterstützt die Bemühungen der albanischen Koalitionsregierung, die darauf gerichtet sind, im Land wieder stabile Verhältnisse herzustellen und Albanien auf freie und faire Wahlen vorzubereiten; fordert den Rat deshalb auf, über eine gemeinsame Manahme nach Artikel J.3 VEU zu beschlieen, um die Abhaltung demokratischer Wahlen in Albanien, die frei von Zwang und Betrug ablaufen, vorzubereiten, wobei es notwendig ist, nicht nur am Wahltag selbst anwesend zu sein, sondern auch den Wahlkampf aufmerksam zu verfolgen;
9. fordert den Rat und die Kommission auf, dem Aufbau freier und unabhängiger Massenmedien in Albanien - mit einem gesicherten und uneingeschränkten Zugang für alle demokratischen Kräfte im Land, insbesondere zum landesweiten Fernsehen und Radio - besonderes Augenmerk zu widmen;
10. fordert den Rat und die Kommission auf, im Kontext eines regionalen Vorgehens der EU gegenüber Südosteuropa vordringlich einen eigenständigen Langzeitplan für Albanien zu schaffen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung des PHARE-Demokratieprogramms, um die demokratischen Institutionen und eine freie Justiz zu konsolidieren und die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft zu unterstützen;
11. regt ferner an, die EU möge den albanischen Behörden technische Unterstützung anbieten, damit die Wählerverzeichnisse, die angeblich in bestimmten Landesteilen vernichtet worden sind, wiederhergestellt werden können;
12. begrüt die Erklärung des albanischen Ministerpräsidenten, da die Geheimpolizei Shik, die Kritiker des Staates regulär verfolgt hat, aufgelöst worden ist, und fordert das albanische Regime auf, darauf die Entpolitisierung der gewöhnlichen Polizeikräfte folgen zu lassen;
13. wiederholt seine Forderung nach einer gründlichen Untersuchung in Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstitutionen in bezug auf die Existenz von Angeboten zur Kapitalanlage nach Art der "Pyramiden" auch anderswo in Mittel- und Osteuropa sowie auf dem Balkan, um so weit wie möglich die destabilisierenden Auswirkungen sämtlicher derartiger Systeme auf diese Regionen zu verhindern;
14. fordert die albanische Regierung und den albanischen Präsidenten auf, die erforderlichen Schritte zu ergreifen, damit demokratischen Politikern, die uneingeschränkt am demokratischen Wiederaufbau in Albanien mitwirken wollen, keine Hindernisse in den Weg gelegt werden;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlieung der Kommission, dem Rat, der OSZE sowie dem Parlament und der Regierung Albaniens zu übermitteln.