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Notizie Tibet
Partito Radicale Centro Radicale - 12 marzo 1997
Tibet/Botschaft Seiner Heiligkeit des Dalai Lama

BOTSCHAFT SEINER HEILIGKEIT DES DALAI LAMA

ZUM 38. JAHRE STAG DES TIBETISCHEN VOLKSAUFSTANDES

10. MÄRZ 1997

In den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts, während wir den 38. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes begehen, ist es sehr deutlich, dass die Menschheit an einem kritischen Punkt ihrer Geschichte angelangt ist. Die Welt wird immer kleiner und die gegenseitige Abhängigkeit nimmt immer mehr zu. Die Probleme eines einzigen Landes lassen sich nicht mehr nur von ihm selbst lösen. Ohne allumfassendes Verantwortungsbewusstsein ist unsere Zukunft in der Tat in Gefahr. Die Militarisierungs-, Entwicklungs-, Ökologie - und Bevölkerungsprobleme der heutigen Zeit sowie die fortgesetzte Suche nach neuen Energie- und Rohstoffquellen erfordern mehr als blosse Einzelaktionen und kurzfristige Problemlösungen. Die moderne wissenschaftlich-technologische Entwicklung hat in gewissem Masse dazu beigetragen, die Probleme der Menschheit zu verringern. Wenn man diese globalen Probleme in Angriff nimmt, ist es jedoch wichtig, nicht nur das rationale Denken zu benutzen, sondern auch andere hervorragende Eigenschaften des menschlic

hen Geistes zu fördern. Die Kraft der Liebe, des Mitgefüls und der Solidarität. Eine neue Art des Denkens ist heute die notwendige Voraussetzung für verantwortliches Leben und Handeln. Wenn wir an veralteten Werten und Glaubensvorstellungen, an beschränkten Sichtweisen und selbstbezogenem Denken festhalten, werden wir auch weiterhin überholten Zielen und Verhaltensweisen folgen. Verharrt eine grosse Anzahl von Menschen in solchen Haltungen, so blockiert dies den Übergang, zu einer miteinander verbundenen und dennoch in Frieden und Kooperation lebenden Weltgemeinschaft.

Wir müssen aus unseren Erfahrungen lernen. Blicken wir zurück auf das 20. Jahrhundert, so wird deutlich, dass die schwerwiegendste Ursache für menschliches Leid und für Missachtung der Menschenwürde, der Freiheit und des Friedens die Kultivierung der Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ist. In gewisser Hinsicht könnte unser Jahrhundert als ein Jahrhundert der Kriege und des Blutvergiessens bezeichnet werden. Wir stehen daher vor der Herausforderung das nächste Jahrhundert zu einem Jahrhundert des Dialogs und der gewaltlosen Konfliktlösung zu gestalten. In menschlichen Gesellschaften wird es immer unterschiedliche Sichtweisen und Interessen geben. Die heutige Realität sieht jedoch so aus, dass wir alle voneinander abhängig sind und auf diesem kleinen Planeten zusammenleben müssen. Daher ist es der einzig kluge und vernunftige Weg, Meinungsverschiedenheiten und Interrssenkonflikte durch Dialog zu lösen, sei es zwischen Individuen oder zwischen Völkern. Die internationale Gemeinschaft hat deshalb um der Zukunf

t der Menschheit willen die wichtige Aufgabe, eine Kultur des Dialogs und des Gewaltverzichts zu fördern. Es genügt nicht dass die Regierungen das Prinzip der Gewaltlosigkeit lediglich verbal unterstützen oder wertschätzen, ohne dabei angernessene Massnahmen zur Förderung von Gewaltlosigkeit zu ergreifen. In dieser Überzeugung habe ich den tibetischen Freiheitskampf auf den Weg der Gewaltlosigkeit geführt und mich bemüht, durch Verhandlungen im Geiste der gegenseitigen Aussöhnung und des Kompromisses eine für beide Seiten annehmbare Lösung der Tibetfrage zu finden. Inspiriert durch die buddhistische Botschaft der Gewaltlosigkeit und des Mitgefüls haben wir Tibeter uns bemüht, jegliche Form des Lebens zu respektieren, und Krieg als Instrument nationaler Politik entschieden abgelehnt. Für uns Tibeter ist es ein Grundsatz, den Weg der Gewaltlosigkeit zu beschreiten, und ich bin überzeugt, so auf lange Sicht die nutzbringendste und praktikabelste Annäherung auf diesem Kurs zu erreichen. An diesern Jahrestag, bli

cken wir auf ein weiteres Jahr der eskalierenden Repression in Tibet zurück, wo die chinesischen Machthaber unablässig weitreichende und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen. Im Zuge der von den chinesischen Machthabern im April letzten Jahres initiierten Kampagne des "harten Durchgreifens" werden ihrer mehr Tibeterinnen und Tibeter aufgrund friedlicher Kundgebung ihrer politischen Ziele Opfer von Folter und Verhaftungen. Politische Umerziehung in Mönchs- und Nonnenklöstern in ganz Tibet haben zu Vertreibung, Tod und Verhaftung grossen Ausmasses geführt. Ich bin noch immer sehr besorgt um das Schicksal Gedhun Choekyi Nyimas, des Jungen, den ich als 11. Panchen Lama anerkannt habe und dessen Aufenthaltsort noch immer nicht bekannt ist. Mit der im letzten Jahr initiierten, grossangelegten Reform der chinesischen Religionspolitik gab China es ganz auf, Respekt für das altüberlieferte religiöse und kulturelle Erbe Tibets vorzutäuschen. Nach der neuen Politik muss "der Buddhismus sich dem Sozialismus

anpassen und nicht der Sozialismus dem Buddhismus". Unter dern Vorwand, dass die Religion einen negativen Einflfuss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Tibet habe, zielt die neue Politik darauf ab, die einzigartige kulturelle und nationale Identität des tibetische Volkes systematisch zu unterminieren und zu zerstören. Neue Massnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs der tibetischen Sprache in den Schulen wurden eingeführt. Im Institut für tibetische Sprache an, der Universität von Tibet in Lhasa ist es nun vorgeschrieben, sogar tibetische Geschichte in chinesischer Sprache zu unterrichten. Experimentelle Mittelschulen, an denen in tibetischer Sprache unterrichtet wurde und die in den 80er Jahren auf das aktive Betreiben hin und mit Unterstützung des damaligen Panchen Lama gegründet wurden, werden nun geschlossen. Diese Schulen waren sehr erfolgreich und wurden von den Tibetem hochgeschätzt. Diese neuen Massnahmen auf dem Gebiet der Kultur, Religion und Bildung zusammen mit der anhaltenden Zuwanderung von

Chinesen nach Tibet führen zur Oberfremdung der einzigartigen Kultur und Religion Tibets sowie dazu, dass die Tibeter zu einer unbedeutenden Minderheit im eigenen Land werden. Dies läuft auf eine Politik des kulturellen Völkermords hinaus. In den meisten grösseren Städten und Ortschaften Tibets sind die Tibeter schon heute zu einer Randgruppe geworden. Wenn diesem Bevölkerungstransfer kein Einhalt geboten wird, so ist zu erwarten, dass Tibet und sein Volk in wenigen Jahrzehnten nicht mehr existieren. Auf diese Repressionen haben die Tibeter grösstenteils friedlich reagiert, und ich meine, dass alle Menschen das Recht haben, mit friedlichen Mitteln gegen Unrecht zu protestieren. Neuere Berichte über einzelne Fälle von Bombenexplosionen in Tibet geben mir jedoch Aniass zu tiefer Besorgnis. Ich werde auch weiterhin für Gewaltiosigkeit eintreten, doch wenn die chinesischen Machthaber nicht von ihren brutalen Methoden Abstand nehmen, wird es sehr schwierig sein, eine weitere Verschlechterung der Lage in Tibet zu

verhindern.

Als Tibeter habe ich immer grossen Wert darauf gelegt, eine Ver bindung mit dem chinesischen Volk herzustellen, sowohl mit den Chinesen in China als auch den Auslandschinesen. Es liegt sowohl im Interesse des tibetischen als auch des chinesischen Volkes, dass ein tieferes Verständnis zwischen uns entsteht. Ich bin immer der Überzeugung gewesen, dass die Pflege menschlicher Beziehungen von grosser Wichtigkeit für die Schaffung eines Klimas ist, in dem menschliches Verständnis, gegenseitiger Respekt und Frieden gedeihen können. Der direkte Dialog von Mensch zu Mensch zwischen Tibetem und Chinesen fördert in letzter Zeit das Verständnis für die Sorgen und Interessen beider Seiten. Das wachsende Verständnis, die Unterstützung und Solidarität unserer Bruder und Schwestern in China und Übersee für die Tragödie und die Grundrechte des tibetischen Volkes ist eine besondere Inspiration und Ermutigung für uns Tibeter. Der kürzliche Tod von Deng Xiaoping ist ein grosser Verlust für China. Ich kannte Deng persönlich. De

ng Xiaoping initiierte den direkten Kontakt mit uns Tibetem, um den Dialog zur Lösung, der Tibetfrage zu eröffnen. Unglücklicherweise kam es zu Lebzeiten Deng Xiaopings nicht zu ernsthaften Verhandlungen. Ich hoffe aufrichtig, dass die nachfolgende Regierung Chinas den Mut, die Weisheit und Weitsicht für neue Wege zur Lösung der Tibetfrage durch Verhandlungen finden wird. Der Anfang einer neuen Ära im modernen China bietet die Gelegenheit zu konstruktiver Veränderung und positiver Entwicklung. Die kürzlich stattgefundene Militäraktion in Ost-Turkestan (Xingjiang) zur Eindämmung von Demonstrationen des Uighurischen Volkes und der daraus folgende Teufelskreis von Gewalt ist tragisch und unglücklich. Ähnlich wie in Tibet kann auch in Ost-Turkestan eine langfristige und friedliche Lösung nur durch den Dialog gefunden werden. Eine andere wichtige Aufgabe, die der chinesischen Regierung bevorsteht, ist die reibungslose Übernahme Hongkongs und die Umsetzung des pragmatischen und gut durchdachten Konzepts "Ein Land,

zwei Systeme", in Wort und Tat. Eine konstruktive Herangehensweise an diese Fragen eröffnet wichtige Möglichkeiten zur Schaffung, eines politischen Klimas des Vertrauens und der Offenheit, sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene.

Die wachsende Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für Tibet spiegelt die dem Menschen innewohnende Fähigkeit zu Mitgefül und Solidarität für menschliches Leid sowie die allumfassetide Wertschätzung für Wahrheit und Gerechtigkeit wider. Mit der Darstellung der internationalen Unterstützung für Tibet als Komplott westlicher anti-chinesischer Kräfe wird in Wirklichkeit aus politischer Bequemlichkeit lediglich der Wahrheit ausgewichen. Das ist sehr bedauerlich, denn ein solcher geistiger Bambusvorhang wird auch weiterhin verhindern, dass konstruktive Ansätze zur Lösung des Tibetproblems gefunden werden. Letztlich ist es die Aufgabe des tibeischen und des chinesischen Volkes, eine für beide Seiten annehmbare Lösung für die Tibetfrage zu finden, Indem wir uns dieser Tatsache bewusst sind, haben wir fortgesetzt und unablässig den Kurs des Dialogs mit der Führung in Beijing verfolgt. Die Weigerung Beijings jedoch, den tiefen Besorgnissen unseres Volkes Gehör zu schenken und diese anzuerkennen, liess uns k

eine andere Wahl als der internationalen Gemeinschaft unsere gerechte Sache darzulegen.

Angesichts brutalster Repressionen hat das tibetische Volk ein bemerkenswertes Mass an Durchhaltevermögen, Mut und Geduld bewiesen. Ich ersuche meine tibetischen Landsleute, auf Gewaltakte der Frustration und Verzweiflung als Mittel des Protests gegen Unrecht und Unterdrückung zu verzichten, Wenn wir Hass, Verzweiflung und Gewalt nachgeben, stellen wir uns auf eine Stufe mit unseren Unterdrückern. Der Weg der Unterdrücker ist Einschüchterung, Zwang und Gewaltanwendung. Unser Weg ist der des Vertrauens auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Vernunft Dieser Unterschied ist unsere wirksamste Waffe. In dieser für uns schwierigen Zeit sind wir auf gerufen, uns mit grösster Entschlossenheit, Weisheit und Geduld zu bemühen. Mit meiner Huldigung und Gebeten für die tapferen Männer und Frauen, die für die Freiheit Tibets gestorben sind,

Der Dalai Lama

 
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