DIE INTERNATIONALEN VEREINBARUNGEN UEBER MENSCHENRECHTE IN NEUE POLITISCHE PROGRAMME, NEUE INSTITUTIONEN UND NEUE VERFAHREN UEBERTRAGEN
Um die Debatte ueber verschiedene Themen - von der Todesstrafe bis zur Abruestung, vom Aufbau (oder Abbau) Europas zum Aufbau eines neuen Statuts fuer eine transnationale und parteiuebergreifende Partei - sinnvoller zu gestalten, erschien es uns nuetzlich, uns ueber internationales Recht und internationale Institutionen Gedanken zu machen. Wir beginnen mit einem Interview mit Antonio Papisca, Dozent fuer Internationales Recht an der Universitaet von Padua. Das Gespraech fuehrte Francesco Bei Ende Januar fuer Radio Radicale.
RADIO RADICALE: Ueber welches Instrumentarium verfuegt die internationale Gemeinschaft, um in Situationen eingreifen zu koennen, in denen Menschenrechte verletzt werden, wie zum Beispiel in China?
ANTONIO PAPISCA: Zunaechst muessen wir etwas klarstellen: Die Erklaerungen, die zu einer "neuen Weltordnung" abgegeben wurden, bezogen sich nicht auf die Normen eines neuen internationalen Rechts, das eben den Menschen- und Voelkerrechten entspricht. Ich meine, dass wir eine neue Weltordnung brauchen besonders im Hinblick auf die Notwendigkeit, die internationalen Vereinbarungen ueber die Menschenrechte in neue politische Programme, neue Institutionen und neue Rechtsverfahren zu uebertragen.
Die Menschenrechte sind das Herzstueck der Allgemeinen Erklaerung von 1948, der beiden grossen internationalen Vertragspakete von 1966 - was die politischen, oekonomischen, sozialen und kulturellen Rechte und die Buergerrechte angeht - und zuletzt der internationalen Vereinbarung ueber die Rechte der Kinder.
Das sind die Quellen, die Eckpfeiler des neuen internationalen Rechts (N.I.R.) ueber die Menschenrechte. Das N.I.R. ueber die Menschenrechte ist fuer die Prinzipien der "Realpolitik" ein Schlag ins Gesicht.
R.R.: Mit der veraenderten internationalen Lage bricht sich ein neues Gesetz Bahn, naemlich das Recht auf Einmischung. Ein Recht, das die Barrieren der "inneren Angelegenheiten" einreisst, den Wall, hinter dem sich die betreffenden Regierungen verschanzten, um dahinter ihre repressive, totalitaere Politik weiterzutreiben. Auf welche Weise koennte sich dieses neue Recht durchsetzten, das heute erst sehr zaghaft eingefordert wird?
A.P.: Wir muessen klarstellen, dass das N.I.R. bisher noch nicht von den U.S.A., von den reaktionaersten arabischen Laendern, von Israel und von China ratifiziert worden ist, waehrend es von rund 100 Laendern bereits anerkannt wird. Wenn man das Prinzip des Eingreifens, der aktiven Einmischung in die inneren Angelegenheiten anwendet, wenn man so Menschenrechtsverletzungen verhindern oder eine Situation schaffen kann, in der die Menschenrechte erneut akzeptiert werden, dann entspricht dieses Prinzip absolut der Logik und der Absicht dieser internationalen Regeln fuer die Menschenrechte. Dieses Recht auf Einmischung steht ganz klar im Widerspruch zum Prinzip der Souveraenitaet der Staaten und zu dessen Folge - naemlich der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten. Jedoch ist das Recht auf Einmischung von, wie ich sagen wuerde, sehr angesehenen internationalen Institutionen positiv ausgelegt worden. Ich erinnere mich an einen entsprechenden Beschluss vom September 1989 in Santiago di Compostela des "Inst
itut de Droit International", einer wissenschaflichen Einrichtung von enormen Prestige. Dann muss ich mich auf neuere Dokumente berufen, beispielsweise auf die Schlussakte der K.S.Z.E. - Konferenz vom 10. September bis 4. Oktober in Moskau. In der Schlussakte heisst es ganz deutlich, dass in Anbetracht des Schutzes der Menschenrechte das Prinzip der Souveraenitaet der Staaten weniger wiegt und deshalb eine aktive Einmischung der internationalen Gemeinschaft legal ist. Dasselbe Prinzip finden wir sehr deutlich befuerwortet in der lezten Resolution des Partito Radicale vom vergangenen Jahr ueber die Menschenrechte in der Europaeischen Gemeinschaft und in der uebrigen Welt. Es ist auch in dem Dokument der Menschenrechtskommission der "Assemblea dei Cittadini di Helsinki" (Vereinigung der Buerger von Helsinki) praesent, deren Vorsitzender ich bin.Diese Regel von der aktiven Einmischung ist jedoch auch eine gefaehrliche Sache. An und fuer sich ist die in Ordnung aber man muss genau festlegen, dass die Mittel der
aktiven Einmischung keine kriegerischen Mittel oder Mittel der Gewalt sein koennen. Die praktische Verwirklichung dieses Prinzips bringt eine Serie von Aufgaben fuer die einzelnen Staaten und die internationale Gemeinschaft mit sich, ich verweise nur auf eine: die Demokratisierung der Dachorganisation der Vereinten Nationen, der UNO.
Die UNO darf keiner oekonomischen oder militaerischen Gross- oder Supermacht untergeordnet oder gar hoerig sein, die nicht buchstabengetreu die Normen der UNO befolgt.