- Frau Präsidentin, Herr Kommissar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zum Buchstaben a) der gemeinsamen Au en- und Sicherheitspolitik, die hier in der mündlichen Anfrage angesprochen wurde. Das jüngste Massaker an über einer halben Million Zivilisten in Ruanda und die daraus resultierende Flüchtlingskatastrophe haben bei uns allen gro e Bestürzung hervorgerufen. Es ist eine Herausforderung für die internationale Gemeinschaft, insbesondere für die Europäische Union, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um zum Wiederaufbau Ruandas beizutragen, damit alle Volksgruppen in Frieden und unter stabilen Verhältnissen miteinander leben können.
Die Europäische Union hat die Konfliktparteien in ihren gemeinsamen Erklärungen aufgefordert, die Gewalt zu beenden und sich um politische Lösungen zu bemühen. Sie hat sich bereit erklärt, den Friedensproze zu unterstützen, der mit der Vereinbarung von Arusha vom August 1993 beschlossen wurde. Der Rat beglückwünscht die offizielle Delegation des Europäischen Parlaments zu ihrem Besuch in Ruanda und Zaïre gleich nach dem Ende des Bürgerkriegs und der Einsetzung einer neuen Regierung in Ruanda. Er stimmt mit den Hauptpunkten des politischen Teils der Empfehlung der Delegation überein, die in Anlage I des eindrucksvollen und ausführlichen Berichts der Delegation enthalten sind. Dieser Bericht war beim kürzlichen Besuch der Troika der EU-Entwicklungsminister in Ruanda und den Nachbarländern vom 29. August bis zum 3. September 1994 sehr hilfreich.
Die Troika traf dabei mit den Präsidenten, Premierministern, Au enministern und anderen wichtigen Persönlichkeiten einschlie lich der UN-Organisationen und der nichtstaatlichen Organisationen zusammen, die an dem Krisenmanagement in Ruanda beteiligt sind. Die Lagebeurteilung und die Vorschläge der Delegation der EU-Troika für die künftige Au en- und Sicherheitspolitik, die humanitäre Hilfe, den Wiederaufbau und die Entwicklungshilfe der Europäischen Union stimmen weitgehend mit den Feststellungen und Empfehlungen der Delegation des Europäischen Parlaments überein. Insbesondere teilt der Rat die Ansichten der Delegation bezüglich der Wiederherstellung des Vertrauens in der Bevölkerung und bezüglich der Notwendigkeit, die Voraussetzungen für eine rasche Rückkehr der Vertriebenen und Flüchtlinge in ihre Heimatorte zu schaffen.
Er teilt ferner die Auffassung, da der Wiederaufbau der Infrastruktur und die Verbesserung der Sicherheitslage in Ruanda und in den Flüchtlingslagern Vorbedingung dafür sind, die Flüchtlinge zur freiwilligen Rückkehr bewegen zu können. Hinsichtlich des Vorschlags des Europäischen Parlaments, die neue ruandische Regierung förmlich anzuerkennen, möchte ich darauf hinweisen, da hierfür die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Praxis zuständig sind.
Soweit die Union als solche betroffen ist, ist das jüngste Treffen der Ministertroika mit Präsident Bisimungo, Vizepräsident Kagame, Premierminister Twagiramungo und anderen führenden Persönlichkeiten der neuen Regierung Nachweis dafür, da die Europäische Union mit der Regierung Ruandas eng zusammenarbeitet, um deren Bemühungen um nationale Aussöhnung zu unterstützen. Die Europäische Union macht der Regierung und allen Betroffenen gegenüber auch weiterhin mit allem Nachdruck deutlich, da der in Arusha eingeleitete Friedensproze der beste Weg zu diesem Ziel ist, und zwar durch Schaffung gegenseitigen Vertrauens in offenen Verhandlungen im Hinblick auf die Aufteilung der Regierungsgewalt zwischen den wichtigsten politischen Kräften.
Dies bedeutet ferner, da die Mitglieder der früheren ruandischen Armee, die keine Verantwortung für die Massaker tragen, in die neuen nationalen Streitkräfte Ruandas eingegliedert werden. Ferner ermutigt die Europäische Union die Nachbarländer Ruandas, die von der Ministertroika besucht wurden, weiterhin ihre wichtigen Aufgaben bei der Unterstützung des Friedensprozesses wahrzunehmen und von allen Handlungen Abstand zu nehmen, die diesen Proze behindern könnten. Die Europäische Union wird auch diejenigen Nachbarländer, die Flüchtlinge in gro er Anzahl bei sich aufgenommen haben, darin bestärken, da sie die notwendigen Ma nahmen treffen, um sicherzustellen, da diese Flüchtlinge nicht länger durch mit dem ehemaligen Regime verbündete bewaffnete Elemente eingeschüchtert und dadurch von einer Rückkehr in ihr Heimatland abgehalten werden.
Die Ministertroika stimmt mit der neuen ruandischen Regierung in einigen wichtigen politischen Fragen überein. Diese betreffen das vorrangige Erfordernis der Rückführung der Flüchtlinge und eine Sicherheitsgarantie für diese Flüchtlinge, überwacht von internationalen Beobachtern aus Menschenrechtsgremien und UN-Streitkräften, ferner den landesweiten Wiederaufbau einer effizienten Verwaltung und die Aufstellung nationaler Streitkräfte, in der alle Volksgruppen vertreten sind, sowie die Notwendigkeit, die für die Massaker Verantwortlichen vor ein internationales Gericht zu stellen.
Nun zum Punkt b), der humanitären Unterstützung. Niemand gewährt Ruanda so viel humanitäre Unterstützung wie die Europäische Union. Ich darf darauf hinweisen, da seit dem 11. Juli diesen Jahres durch die Kommission über 220 Millionen ECU bereitgestellt wurden. Sie wird ihre Anstrengungen auf diesem vom Ausschu angesprochen Gebiet fortsetzen. Der Rat hat mit gro em Interesse von den Feststellungen der offiziellen Delegation des Parlaments bezüglich der Lage in diesem Land Kenntnis genommen. Die Beobachtungen der Ministertroika in Ruanda gehen in die selbe Richtung und werden durch die Informationen ergänzt, die während der Besuche der Troika in den Nachbarländern gesammt wurden und die sämtlich eine Verschlechterung der sozialen Situation infolge des massiven Zustroms von Flüchtlingen aus Ruanda deutlich werden lie en.
Der Rat betont daher, da die Flüchtlinge und die Bevölkerung in den Nachbarländern humanitäre Unterstützung erhalten müssen, und da eine Rückführung der Flüchtlinge dringend erforderlich ist, sollte diese Unterstützung auch Begleitma nahmen für diejenigen Personen umfassen, die rückkehrwillig sind. Der Rat teilt uneingeschränkt die vom Europäischen Parlament vorgenommene positive Bewertung der ausgezeichneten Arbeit der nichtstaatlichen Organisationen und der französichen Operation in Ruanda, die zur Rettung vieler Menschenleben beigetragen haben.
Nun noch zum Buchstaben c), künftiger Wiederaufbau und Entwicklungshilfe. Wie gesagt, eine Rückführung der Flüchtlinge ist dringend geboten, humanitäre Hilfe allein wird nicht ausreichen, um diesen Proze zu fördern. Der Rat begrü t daher den Vorschlag der Troika, da die Europäische Union in Erwägung ziehen sollte, schrittweise den Übergang von humanitärer zu längerfristiger Hilfe zu vollziehen. Die Troika hat einen dreistufigen Ansatz vorgeschlagen. Der Rat wird einen solchen Ansatz wohlwollend prüfen, der folgende Elemente enthalten sollte: Eine Soforthilfe für den Wiederaufbau der beschädigten Infrastruktur in Ruanda, insbesondere in den Bereichen Trinkwasser und Stromversorgung, die Erarbeitung eines speziellen Wiederaufbauprogramms in enger Absprache mit der ruandischen Regierung sowie fachkundigen Einrichtungen und etwaigen Partnern vor Ort, zum Beispiel nichtstaatliche Organisationen; eine Umprogrammierung der gemä Lomé IV für Ruanda verfügbaren Mittel sollte in Erwägung gezogen werden. Benötigt wir
d auch und ein regionales Wiederaufbauprogramm zur Behebung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Schäden, die durch den Zustrom ruandischer Flüchtlinge in den Nachbarländern entstanden sind.
Auf der informellen Tagung der Minister für auswärtige Angelegenheiten auf Usedom wurde die Frage der weiteren Hilfe für Ruanda erörtert, und sollte die Kommission zusätzliche Ma nahmen vorschlagen, so wird der Rat die erforderlichen Beschlüsse zügig verabschieden.