- Frau Präsidentin, es ist üblich, da wir uns bei der Diskussion um die Ausführung des Haushalts hauptsächlich an die Kommission wenden. Die unzureichende oder schleppende Durchführung des Haushalts liegt jedoch nicht nur an der Kommission; schuld daran ist sehr oft der Rat. Ich möchte das an einem Beispiel klarmachen, und anhand des Sozialhaushalts an der Linie B3-4103 zur Durchführung des Armutsprogramms. Als das Parlament den Haushalt 1994 verabschiedete, lie uns der Rat im Glauben, das Armutsprogramm würde weitergeführt. Nur deshalb haben wir damals 8 Millionen in die Reserve gesetzt. Jetzt verfallen die 8 Millionen verfallen, sie müssen also ungenutzt an die Mitgliedstaaten zurückgezahlt werden, weil der Rat es versäumt hat, die Rechtsgrundlage für die Ausgabe der Mittel zu beschlie en. Das europäische Armutsprogramm war und ist sehr erfolgreich. Das wird uns von den Nichtregierungsorganisationen aus allen Mitgliedstaaten immer wieder bestätigt.
In der Europäischen Union leben 50 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze, der grö te Teil davon sind Frauen und Kinder. Für einige von ihnen - leider nicht für alle - konnte das Programm wirklich praktische Hilfe leisten. Der positive Effekt ist jedoch, da die Hoffnung entstanden ist, endlich selbst etwas tun zu können und Unabhängigkeit zu erreichen. All diese Hoffnungen der Ärmsten in der Union sind von der deutschen Ratspräsidentschaft zerstört worden. Mit der fadenscheinigen Begründung, die Subsidiarität würde verletzt, hat sie sich im Mai geweigert, das Vierte Armutsprogramm zu beschlie en. Sie hat das Programm auch nicht auf die September-Tagung des Rates der Sozialminister gesetzt, und gestern hörten wir von unserem Präsidenten, da sie mit uns auch nicht darüber diskutieren will. Das bedeutet aber für die betroffenen Menschen die Zerstörung nicht nur von Hoffnung, sondern auch von aufgebauter Existenzsicherung.
Es ist - entschuldigen Sie bitte die etwas rüde Ausdrucksweise - eine Riesenschweinerei, wenn die deutsche Ratspräsidentschaft Prinzipienreiterei auf dem Rücken der Armen in der Europäischen Union betreibt! Gerade der deutsche Ratspräsident, Bundeskanzler Kohl, spricht immer wieder von einer Stärkung der Demokratie in der Europäischen Union und behauptet, er setze sich für mehr Rechte des Europäischen Parlaments ein. Wenn es aber um Taten geht, vergi t er sogar die eigenen Beschlüsse.
Das Haushaltsverfahren und die Durchführung kann nur dann wirklich funktionieren, wenn die Haushaltsbehörden, also Kommission, Rat und Parlament sich an ihre Beschlüsse halten. Die deutsche Ratspräsidentschaft verhindert mit ihrer Verweigerungshaltung eine korrekte Ausführung des auch vom Rat beschlossenen Haushalts. Ich appelliere an die deutsche Ratspräsidentschaft, auf der nächsten Tagung des Rates der Sozialminister das Vierte Armutsprogramm zu beschlie en und so die Rechtsgrundlage für eine korrekte Ausführung des Haushalts 1994 zu ermöglichen.