Herr Präsident, Frau Ratspräsidentin! Einen peinlichen Bärendienst hat die CDU/CSU Fraktion der deutschen Präsidentschaft erwiesen. Zwar hat die Diskussion über die Zukunft der europäischen Integration wieder einmal einen neuen Ansto erfahren. Hätte jedoch wirklich ein Interesse daran bestanden, die Europadiskussion zu beleben, dann hätte dieses Papier in den Europawahlkampf gehört, was die Beteiligung an den europäischen Wahlen vielleicht ein wenig hätte verbessern helfen können. Von daher ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, da die deutsche Ratspräsidentschaft dieses Papier sozusagen duldet, um die Angst der deutschen Bevölkerung inbesondere vor einem Verlust der DM zu beschwichtigen. Denn ein Kerneuropa würde ja bedeuten, da die dem Kerneuropa angehörenden Staaten nicht mit dem Rest Europas solidarisch sein müssen, da nämlich diese fünf Staaten die Solidarität zum Beispiel in Form von Finanztransfers nicht in der gleichen Art und Weise zu befürchten hätten wie in einem gro en Europa.
Dies wäre eine Absage an das Konzept der europäischen Integration als solche und an den Maastrichter Vertrag. Und gerade im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion ist ja ausdrücklich der Weg, über Kerneuropa zur Währungsunion zu kommen, abgelehnt worden. Wir sollten das unterstreichen, denn ein Kerneuropa ist ja kein Magnet, der anzieht - wie Herr Schäuble glaubt -, sondern ein absto ender Magnet. Es ist ein Europa der Hierarchie und nicht der Gemeinschaftlichkeit, ein Europa der Diskriminierung und nicht der Gleichberechtigung.
Nach dem Vertrag von Maastricht ist gerade ausgeschlossen, da fünf Länder entscheiden können, wer in einer zweiten, dritten, vierten oder fünften Stufe dazukommen kann. Jeder, der die Kriterien erfüllt, kann sofort oder später dieser Währungsunion beitreten. Insofern ist ein Kerneuropa als Konzept eine Einladung zu einem Europa der Beliebigkeit. Gerade wir im Europäischen Parlament können diesen Weg nicht zulassen, weil nämlich ein Kernparlament gänzlich undenkbar ist. Wir müssen im Gegenteil einer Ratspräsidentschaft, die ja eine europäische Integration voranbringen will, abfordern, da sie die Initiative ergreift und nicht den langsamsten Partner der Europäischen Integration das Tempo bestimmen lä t, indem sie sich massiv und deutlich - so wie dieses Europäische Parlament - für die durchgängige Einführung des Mehrheitsprinzips im Entscheidungsproze der Europäischen Union einsetzt.