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Seiler-Albring Ursula - 28 settembre 1994
Seiler-Albring, amtierende Ratspräsidentin

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist in Kairo die Internationale Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung erfolgreich abgeschlossen worden. Nun geht es darum, die in Kairo gegebenen Anstö e in nationale Politik und in internationale Zusammenarbeit umzusetzen. Da die Konferenz trotz zahlreicher zu überwindender Schwierigkeiten erfolgreich abgeschlossen werden konnte, ist nicht zuletzt ein Verdienst der Europäischen Union. Zu zahlreichen kontrovers diskutierten Problembereichen konnte auf der Grundlage von europäischen Vorschlägen schlie lich ein Kompromi erreicht werden.

Zur Diskussion politisch relevanter Fragestellungen, insbesondere vor gewichtigen Gesprächen mit den in der Gruppe der 77 zusammengeschlossenen Entwicklungsländer und mit deren ägyptischer Präsidentschaft fanden in der Europäischen Union immer wieder Abstimmungsgespräche auf hoher Ebene, auch unter Beteiligung zahlreicher Minister statt. Hochrangige Abstimmungsgespräche auf Minister-bzw. Delegationsleiterebene hat die Union aber auch mit Delegationsleitern aus Staaten der GUS- und aus mittel- und osteuropäischen Staaten geführt. Hierbei hat die Europäische Union Anregungen und Zustimmung zu Textvorschlägen für das Abschlu dokument erhalten.

Die Europäische Union hatte sich unter deutscher Präsidentschaft auf die Konferenz vorbereitet. Zur Erörterung schwieriger Fragen, die in New York auf der dritten Tagung des Vorbereitungsausschusses für die Konferenz offen geblieben waren, war in Brüssel eine Ratsgruppe eingesetzt worden. Diese Ratsgruppe hat Juli und August bis zum Tag unmittelbar vor der Konferenz in Brüssel getagt. Dieser Vorbereitungsproze in Brüssel war, wie schon in New York, geprägt von der Vielfalt unterschiedlicher europäischer Auffassungen zu wichtigen Fragen der Konferenz. Besonders schwierig erwies sich auch hier die Diskussion über Fragen des Rechts auf Fortpflanzung und der Gesundheit, einschlie lich der Abtreibung, die auf der Konferenz immer wieder eine Rolle spielte. Aber wie schon in New York zeigte sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch in Brüssel der feste Wille, letztlich in Kairo eine einheitliche Haltung zu vertreten. Wir waren uns in der Europäischen Union stets einig, da Abtreibung kein Mittel der

Familienplanung sein darf. Schwieriger und nuancierter fallen die Antworten jedoch aus, wenn es um die Rechte der Frau und hierbei um ein Recht auf Abtreibung geht.

Der Leiter der US-Delegation, Vizepräsident Gore, hatte schon vor der Konferenz immer wieder die Auffassung der US-Regierung betont, da innerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten jede Frau ein Recht auf Abtreibung habe. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht dagegen jede Abtreibung als rechtswidrigen Versto gegen das Recht auf Leben bezeichnet. Insofern ist beispielsweise in Deutschland eine Abtreibung nur in besonderen Situationen straffrei. Andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union hingegen lassen Abtreibungen generell oder in bestimmten Situationen zu. So war es nicht erstaunlich, da der innerhalb der Europäischen Union erarbeitete Kompromi für einige Mitgliedstaaten in der Europäischen Union ganz erhebliche Konzessionen gegenüber den eigenen Positionen erforderte. Und deshalb war die Konsensfindung in der Europäischen Union nicht einfach. Der Wille zu einheitlichem europäischem Auftreten wurde nie und von keiner Delegation in Frage gestellt, und auch die Beitrittsländer haben hier akt

iv mitgewirkt.

Allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Beitrittskandidaten gebührt Achtung für ihre Kooperation für die immer wieder gezeigte Bereitschaft, zu allen Fragen auf der Konferenz eine gemeinschaftliche Haltung herbeizuführen.

Wenn sich der Abstimmungsproze in der Europäischen Union als eine gute Vorbereitung für die Suche nach möglichst weitgehendem Konsens auf der Konferenz erwiesen hat, so lag dies an dem von mir bereits erwähnten starken Willen aller Mitgliedstaaten, in Kairo geschlossen aufzutreten. Und dank dieser Kooperationsbereitschaft wurde die Europäische Union zu der zwischen Extremen ausgleichenden Ländergruppe, zu einem peacemaker between various groups, wie ein Minister die Rolle der Europäischen Union beschrieb. Als Land, das die Präsidentschaft innehat, hat Deutschland Grund, hier allen Mitgliedstaaten dankbar zu sein.

Weltweit hat die Konferenz zu Recht gro e Aufmerksamkeit in den Medien gefunden. Es geht um globale Zukunftsfragen, nämlich um Bedrohungen, die sich aus einer weiterhin stark wachsenden Weltbevölkerung ergeben können. Zugleich geht es jedoch um einen ganz persönlichen Bereich der Menschen, um ihre Familie, um ihre individuellen Rechte. Dieser Bereich der Familie ist mehr als viele andere Bereiche durch religiöse, philosophische, kulturelle und ethische Werte geprägt. Staatliches Regelungsbemühen stö t hier zu Recht auf Mi trauen. Man denke nur daran, was es für Menschen immer wieder bedeutet hat, wenn Staaten versucht haben, ihre Zielvorgabe zur Grö e einer Familie administrativ umzusetzen.

Wenn eines der wichtigen Ziel der Konferenz auch eine Verringerung des Bevölkerungswachstums und die Stabilisierung der Weltbevölkerung war, so ging es nach Auffassung fast aller Staaten dennoch nicht um die administrative Durchsetzung solcher Zielgrö en. Grundansatz der Konferenz war vielmehr die für eine Konferenz mit weltweiter Beteiligung besonders bemerkenswerte Überzeugung, da eine Stabilisierung der Weltbevölkerung ohne eine veränderte Rolle der Frau in vielen Gesellschaften nicht möglich ist. Damit das Wachstum der Bevölkerung sich verringert, müssen Frauen die gleichen Chancen haben wie Männer. Das Recht, ihr Leben in Partnerschaft und Verantwortung in allen Bereichen des sozialen, wissenschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens gestalten zu können, darf nicht beschnitten werden. Hier geht es nicht nur um Zugang zu Informationen und Dienstleistungen im Bereich der Familienplanung und der damit verbundenen Gesundheitsvorsorge, es geht auch um die Bekämpfung von Armut und um eine tiefgreifende

Umgestaltung der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Wenn Frauen eine veränderte gesellschaftliche Stellung erreichen, dann führt eine Vielzahl von individuellen und in gemeinsamer Verantwortung und Partnerschaft getroffenen Entscheidungen über die anzustrebende Grö e der Familie dazu, da unser globales Ziel erreicht wird, nämlich eine Verringerung des Bevölkerungswachstums und schlie lich eine Stabilisierung der Bevölkerung.

Zugleich sind in Kairo Bevölkerungsfragen in den Zusammenhang von Armutsbeseitigung, Förderung der Achtung der Menschenrechte und demokratischer Werte sowie des Schutzes der Umwelt gestellt worden. Bei ihren Bemühungen um ein ausgewogenes Konzept hat die Europäische Union mit Erfolg die Notwendigkeit eines integrierten Vorgehens zur Stabilisierung des Bevölkerungswachstums hervorgehoben. Au erdem müssen wir die Verhaltensmuster beim Verbrauch und bei der Produktion ändern. Nun geht es darum, die in Kairo gegebenen Anstö e umzusetzen. In Kairo hat die Europäische Union ihre Bereitschaft zu einer wesentlichen Erhöhung ihres finanziellen Einsatzes im Bevölkerungssektor bekräftigt, wobei sie allerdings auch von den Entwicklungsländern erwartet, da sie ihre nationalen Ausgaben für bevölkerungspolitische Ma nahmen und Programme entsprechend erhöhen.

Am Schlu dokument von Kairo ist, wie bei anderen internationalen Konferenzdokumenten auch, von seiten der Journalisten vor allem sein Umfang kritisiert worden. Es wurde gefragt, welcher politisch interessierte Bürger denn ein Dokument von mehr als hundert Seiten mit zahlreichen sich wiederholenden Aussagen liest. Wir kennen solche Kritik aus dem europäischen Bereich nur zu gut und bestreiten ihre Berechtigung auch nicht. Wichtig allerdings bleiben nicht Stil oder Länge des Dokumentes, sondern die inhaltliche Bilanz. Und diese fällt insgesamt überaus positiv aus. Ich möchte zum Abschlu noch darauf hinweisen, da die nach langen Verhandlungen innerhalb der Union zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, da die EU-Textentwürfe für das Abschlu dokument im Verhandlungsproze nicht zu sehr verwässert werden, nicht enttäuscht wurde. Der integrierte Ansatz von Bevölkerungs- und Entwicklungspolitik mit der Ausrichtung auf die Entscheidungsfreiheit des einzelnen ist erhalten geblieben. Das Recht von Paaren und Einzelpersonen

frei, informiert und eigenverantwortlich über die Zahl der Kinder selbst zu entscheiden, wurde festgeschrieben. Zugleich wurde bekräftigt, da Abtreibung keine Methode der Familienplanung ist. Ferner wurde bekräftigt, da Hilfe für Frauen sowie eine angemessene Beratung wichtig sind. Erstmals wurden unfachgemä e Abtreibungen als Problem für das Gesundheitswesen hervorgehoben. Schätzungen zufolge sterben jährlich eine halbe Million Frauen durch Abtreibungen, die durch Personen ohne die erforderlichen medizinischen Fähigkeiten oder in einer Umgebung ohne einen medizinischen Mindeststandard ausgeführt werden. Höchste Priorität mu aber die Verhinderung ungewünschter Schwangerschaften und von Abtreibung haben.

Bemühungen um Stabilisierung des Bevölkerungswachstums, die nach Ansichten von Experten in der Vergangenheit bereits recht erfolgreich waren, haben durch diese Konferenz neuen Auftrieb erhalten. Sowohl die Entwicklungsländer selbst als auch die Industrieländer als Gastgeber haben sich zu verstärkten Anstrengungen verpflichtet. Nicht zuletzt, meine Damen und Herren, hat sich die Union in gemeinsamem, aktivem, konferenzgestaltendem Auftreten bewährt.

 
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