Herr Präsident, die Fraktion der Europäischen Volkspartei wird sich der Gemeinsamen Entschlie ung zu den Konsequenzen der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo anschlie en, wenn auch mit einem Änderungsantrag. Ich begrü e die erzielten Ergebnisse ausdrücklich auch als Präsidentin der Christlich-Demokratischen Frauen Europas.
In das Schlu dokument der Bevölkerungskonferenz wurden viele Probleme aufgenommen. Wir haben aber bedauert - ich stelle fest, wir rutschen hier schon wieder in die gleiche Schiene - und das in unserer Entschlie ung am 23. September in Brüssel auch betont, da das eigentliche Thema der Tagung in den Medien im Grunde zu kurz gekommen ist.
Es darf hier wirklich nicht nur um die Frage der Abtreibung gehen, die für uns indiskutabel ist, es darf aber auch nicht nur um die Frage der Empfängnisverhütung gehen. Es geht um das Schicksal vieler Völker. Es geht eigentlich um uns alle. Es geht auch nicht nur um den Vatikan, sondern um die Traditionen von uralten Kulturen, die auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken. Es geht auch ein ganzes Stück um die Menschenrechte.
In den Mittelpunkt der öffentlich geführten Diskussion in allen Ländern, die an der Konferenz von Kairo teilgenommen haben, hätte eigentlich die Frage gehört: Wie können wir die Frauen und vor allem auch die Männer erreichen, über die wir allein diese Probleme wirklich lösen können? Es handelt sich hierbei um sehr komplexe und schwierige Fragen, die tief in das Selbstverständnis aller unserer Kulturen hineinreichen. Es geht jedoch nicht ohne das Verständnis der Männer dafür, da auch sie Verantwortung übernehmen müssen gegenüber ihren Kindern, die sie ja ernähren sollten. Viele von ihnen entziehen sich natürlich dieser Pflicht, indem sie verschwinden. Sie tragen auch für ihre Frauen Verantwortung, ebenso wie für das Schicksal der eigenen Gemeinschaft und für ihr eigenes Land, was vielen wohl nie klar geworden ist.
Für die Frauen des grö ten Teils der Völker dieser Welt ist ein eigener sozialer Status, die freie Wahl, von der hier mit Recht die Rede ist, ohne Bildung, ohne Gesundheitsaufklärung und Vorsorge eigentlich überhaupt nicht zu erreichen. Wer finanziert denn die Erziehung nicht nur der Söhne, sondern auch der Töchter. Wenn aber Bildung nur ein Statussymbol für Söhne ist, werden wir nicht weiterkommen.
Wie komplex diese Frage auch im Hinblick auf andere Zusammenhänge ist, können wir auf unserem eigenen Kontinent sehen: Wir verfügen über eine hochproduktive Wirtschaft, viele Arbeitsplätze und damit über genügend Nahrung und Bildung. Unsere sehr hohe Bevölkerungsdichte sinkt jedoch, weil die Geburtenraten zurückgehen. Es geht also nicht nur um materielle Fragen, es liegt auch nicht nur an den fehlenden Mitteln zur verantwortlichen Familienplanung, sondern es ist die Mentalität, die verändert werden mu .
Das entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, die Armut in der Welt mit grö ter Solidarität zu begegnen. Wir sollten vor allem gemeinsam mit den Entwicklungsländern dafür sorgen, da die Zusammenhänge besser erkannt werden und wir mit unseren Programmen mehr Hilfe leisten. Es dürfte kein einziges Entwicklungsprogramm geben, das nicht auch die Bildung der Frauen beinhaltet.
Das Recht auf Bildung, Arbeit und Teilhabe am öffentlichen Leben ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Anerkennung der Würde der Frau sowie ihrer eigenen Persönlichkeit geht. Sie wird dann schnell ihren Anteil an der Verantwortung erkennen, denn sie trägt ja die Hauptlast. Die Schaffung geeigneter sozialer Infrastrukturen kann wesentlich dazu beitragen, Leben zu schützen, auch das Leben des ungeborenen Kindes. Diese Infrastrukturen können auch vor der Gewalt an Frauen schützen. Dieser Faktor wird hier ebenfalls kaum erwähnt.
Das Drama der Wanderungsbewegung, die Probleme der Familienzusammenführung, das Problem der Millionen von Flüchtlingen und das Schicksal der Frauen und Kinder gehören ebenfalls in diese Kategorie. Diese Fragen ziehen sich wie ein roter Faden von der Wiener Menschenrechtskonferenz 1993 über Kairo 1994 bis zur Weltfrauenkonferenz 1995. Unsere Mitgliedstaaten sollten sich auf allen kommenden Konferenzen, auf der Vorbereitungstagung in Wien, in Peking, in der Nacharbeit und der Umsetzung der Kairoer Beschlüsse ihrer Verantwortung als Vertreter einer hochentwickelten und reichen Gesellschaft bewu t sein und alles tun, hier nicht nur den Frauen, sondern den Völkern insgesamt zu helfen.
(Beifall)