Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist für mich eine Ehre und Freude, vor dem Europäischen Parlament hier im Plenum anlä lich der ersten Lesung des Haushaltsplanentwurfs 1995 zu sprechen. Der Rat hatte im Juli in erster Lesung den Haushaltsentwurf erstellt. Er wurde Ihnen ja am 14. September von Herrn Minister Waigel vorgestellt. Bei dieser Gelegenheit wurden Ihnen im einzelnen die allgemeinen haushaltspolitischen Überlegungen erläutert, von denen sich der Rat bei seiner erster Lesung hatte leiten lassen. Herr Minister Waigel legte die Bedeutung und die Tragweite der wichtigsten vom Rat getroffenen Entscheidungen dar, die aus Sicht des Rates gut begründet sind.
Bevor Sie nunmehr zu dem Haushaltsentwurf des Rates Stellung nehmen, möchte ich auf folgendes hinweisen: Der Rat war im Rahmen seiner ersten Lesung bestrebt, sich an die Grundsätze der Haushaltsdisziplin zu halten, wie sie vom Europäischen Rat in Edinburgh und in der interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission bekräftigt wurden. Er lie sich bei seinen Entscheidungen von den nachfolgenden Haushaltsnormen leiten: Erstens, dem Erfordernis von Rechtsgrundlagen, zweitens, der Beibehaltung angemessener Spannen innerhalb der Obergrenze der Rubriken der finanziellen Vorausschau, drittens, der Berücksichtigung der realen Möglichkeiten einer Verwendung der einzustellenden Mittel, viertens, dem Subsidiaritätsprinzip und fünftens, dem Grundsatz, da die Mittel nicht in Bagatellbeträge aufgesplittert werden dürfen.
Der Rat hat sich bei der ersten Lesung des Haushaltsplans bemüht, diese Leitlinien entsprechend ihrer jeweiligen Bedeutung zu berücksichtigen. Der Rat ist sich durchaus bewu t, da auch das Europäische Parlament mit diesen Normen einverstanden ist, auch wenn bei ihrer Anwendung im einzelnen einmal Meinungsverschiedenheiten bestehen können. Im übrigen bleibt natürlich wegen der angespannten öffentlichen Finanzen in den Mitgliedstaaten bei der Aufstellung des gemeinschaftlichen Haushaltsplans 1995 die Haushaltsdisziplin das Schlüsselwort. Es wird also unerlä lich sein, die verfügbaren Mittel für wesentliche wirtschafts- und sozialpolitische Ziele der Union zu verwenden, insbesondere für Ma nahmen zur Stärkung des wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhalts zwischen ihren Mitgliedern.
So hat der Rat bei der ersten Lesung des Haushaltsplans zum Ausdruck gebracht, wie nach seiner Ansicht 1995 im Rahmen der verfügbaren Mittel die Haushaltsprioritäten für die Europäische Union aussehen sollen. Das Europäische Parlament mu sich nunmehr zu diesem Haushaltsplan äu ern, wobei es seinerseits die Schwerpunkte setzen wird, die es für das kommende Haushaltsjahr für wesentlich hält.
Wenn das Europäische Parlament die erste Lesung abgeschlossen hat, wird der Rat Stellung nehmen müssen. Hierzu kann ich Ihnen für den Rat und den Vorsitz versichern, da die Abänderungen und Änderungen am Haushaltsplanentwurf, die Sie vornehmen bzw. vorschlagen, in einem aufgeschlossenen und konstruktiven Geist geprüft werden.
Abschlie end möchte ich im Namen des Rates und des Vorsitzes all denen unter Ihnen, die in den betreffenden Ausschüssen mitgearbeitet haben, insbesondere Ihrem Haushaltsausschu , und vor allem seinem Vorsitzenden, Herrn Samland, sowie den Berichterstattern, Herrn Wynn und Herrn Dankert, für die immense Arbeit danken, die sie geleistet haben. Mein Dank gilt natürlich auch Herrn Schmidhuber und seinen Dienststellen in der Kommission.
Lassen Sie mich noch ganz kurz eine Bemerkung zum Berichtigungs- und Nachtragshaushalt 1994 Nr. 2 und insbesondere zu der Angelegenheit Mostar machen. In den Augen des Haushaltsausschusses ist das Eingreifen in den Haushalt des Rates dadurch begründet, da es bisher an einer Definition der operationellen und der Verwendungsausgaben innerhalb der Ausgaben für die gemeinsame Au en- und Sicherheitspolitik fehlt. Im Namen des Rates kann versichert werden, da die Finanzierung der Gemeinsamen Au en- und Sicherheitspolitik durch den Gemeinschaftshaushalt unbedingt die jeweiligen Befugnisse des Rates und des Parlaments zu respektieren hat. Es sollte jedoch alles vermieden werden, was Präjudizierungen schafft. Der Fall Mostar entsprach einer akuten Notlage und sollte auf keinen Fall einen Präzedenzfall darstellen.
Gestatten Sie mir bitte noch, zu einigen Fragen Stellung zu nehmen, die für das Haushaltsverfahren von mehr oder weniger unmittelbarer Bedeutung sind. Erstens: Ich denke zunächst an die legislative Konzertierung bei einer Reihe von Verordnungen im Finanz- und Haushaltsbereich, die uns monatelang intensiv beschäftigt hat. Der Rat hat gestern, wie Sie wissen, ein ganzes Bündel von Punkten verabschiedet, die erfolgreich mit Ihrem Haushaltsausschu abgestimmt wurden. Wenn das Europäische Parlament Ihnen auf dieser Tagung zustimmen kann, so findet diese schwierige Konzertierung damit ihren erfolgreichen Abschlu .
Ein zweites Problem betrifft die Hypothek der Negativsalden, die derzeit die Finanzen der Gemeinschaft belastet. Hierzu hat Ihnen Minister Waigel im September versichert, da dem Vorsitz diese Frage sehr am Herzen liegt. Er hat ferner an die Zusage des Rats erinnert, eine angemessene Lösung für dieses Problem zu finden. Die diesbezüglichen Beratungen des Rates verlaufen überaus zufriedenstellend; ihnen liegt ein pragmatischer und realistischer Vorschlag der Kommission zugrunde, der ich an dieser Stelle dafür herzlich danken möchte. Dieses Problem kann nun zwischen den beiden Teilen der Haushaltsbehörde einvernehmlich im Rahmen des Haushaltsverfahrens gelöst werden.
Zur Berücksichtigung der zu erwartenden Auswirkungen der Erweiterung im Haushaltsplan 1995 kann ich Ihnen mitteilen, da in den Gremien des Rates intensiv an der Schaffung einer der Voraussetzungen hierfür gearbeitet wird, nämlich der Revision der Finanziellen Vorausschau. Über die Grö enordnung lä t sich allerdings noch nichts Genaues sagen. Es wird darum gehen, die genannten Auswirkungen sobald wie möglich im Haushaltsplan 1995 zu berücksichtigen, und zwar je nach Situation entweder mittels eines Berichtigungsschreibens oder eines Berichtigungs- und Nachtragshaushaltsplans.
Ich komme schlie lich zu einer zentralen Frage, die sowohl das Europäische Parlament als auch den Rat und seinen Vorsitz stark beschäftigt, nämlich der Annahme des neuen Eigenmittelbeschlusses. Er bestimmt unter anderem unmittelbar die Obergrenze der Eigenmittel, die der Gemeinschaft im Haushaltsplan 1995 zur Verfügung stehen. Aus bekannten Gründen ist die Behandlung dieses Dossiers einige Monate nicht vorangekommen. Dank den Bemühungen aller Mitgliedstaaten und - erlauben Sie mir auch dies zu sagen - dem besonderen Einsatz des Vorsitzes des Ecofin-Rates, konnte der Eigenmittelbeschlu wieder auf einen erfolgreichen Weg gebracht werden.
Auf einer Sondertagung der Finanzminister in Brüssel am 21. Oktober dieses Jahres konnte nach zähen und schwierigen Verhandlungen schlie lich die Annahme der gemeinsamen Ausrichtung des Rates zum neuen Eigenmittelbeschlu erreicht werden. Ich habe den Vorschlag des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Herrn Samland, mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Wenn das Parlament diesem Vorschlag zustimmen kann, dann werden wir meines Erachtens rasch vorankommen, denn damit kann der formelle Ratsbeschlu bald gefa t und können die erforderlichen Ratifizierungsverfahren in den Mitgliedstaaten eingeleitet werden.
Mit dem Beschlu des Ecofin-Rates wurden Unsicherheiten und Besorgnisse über die politisch bereits zugesagte Eigenmittelausstattung der Gemeinschaft endgültig beseitigt. Die Gemeinschaft hat auch dieses Mal unter Beweis gestellt, da sie in der Lage ist, mit Beharrlichkeit Lösungen für schwierige Probleme zu finden.
Abschlie end möchte ich wiederholen, was Minister Waigel Ihnen bereits am 14. September versichern konnte, da nämlich der deutsche Vorsitz während des gesamten Haushaltsverfahrens keine Mühe scheuen wird, um zusammen mit dem Europäischen Parlament einen Haushaltsplan fertigzustellen, dem jeder der beiden Teile der Haushaltsbehörde zustimmen kann und der den legitimen Erfordernissen unserer Europäischen Union Rechnung trägt.
(Beifall)