Radicali.it - sito ufficiale di Radicali Italiani
Notizie Radicali, il giornale telematico di Radicali Italiani
cerca [dal 1999]


i testi dal 1955 al 1998

  RSS
mer 14 mag. 2025
[ cerca in archivio ] ARCHIVIO STORICO RADICALE
Archivio interventi PE
Verhuelsdonk - 27 ottobre 1994
Verhülsdonk, amtierende Ratspräsidentin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Frau Bundesministerin Rönsch hatte Ihnen zugesagt, heute für die Präsidentschaft hier zu sprechen. Sie ist bedauerlicherweise durch dringende politische Termine, die ihre Anwesenheit in Bonn notwendig machen, verhindert. Sie hat mich gebeten, sie hier zu vertreten.

Der Rat ist sich der Herausforderung bewu t, die die Bekämpfung der Ausgrenzung und der Armut darstellt. Die jüngste wirtschaftliche Rezession und die Arbeitslosigkeit hatt sehr negative Auswirkungen auf die ärmsten und schwächsten Schichten unserer Gesellschaft. Die soziale Ausgrenzung ist ein vielschichtiges Problem, sie mu deshalb auch vielschichtig angegangen werden. In jüngster Vergangenheit hat die Gemeinschaft ihre Anstrengungen zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzungen verstärkt. Bei mehreren Gemeinschaftsprogrammen und -initiativen wurde ausdrücklich der Aspekt der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung einbezogen. Dies ist beispielsweise der Fall bei den Programmen URBAN, HELIOS und SOKRATES sowie beim Vierten Rahmenprogramm im Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung.

Zweitens: Für die Bekämpfung der Ausgrenzung sind in erster Linie die Mitgliedstaaten zuständig. Die Gemeinschaft kann im Rahmen ihrer Befugnisse flankierende Ma nahmen ergreifen. Eine wichtige Ma nahme ist die Reform der Strukturfonds. Die Strukturfonds tragen im Rahmen ihrer Ziele und insbesondere im Rahmen ihres Zieles Nr. 3 zur Solidarität mit wirtschaftlich und sozial schwächeren Personengruppen auf dem Arbeitsmarkt bei. Die Mitgliedstaaten können einen Teil der Mittel des Europäischen Sozialfonds für Ma nahmen zur Förderung der Integration von Personen verwenden, die von der Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt betroffen sind. Für den Zeitraum 1994 bis 1999 wurde der Europäische Sozialfonds im Rahmen der Ziele 3 und 4 mit einem Gesamtfinanzvolumen von 13.948 Mio ECU auf der Preisbasis von 1994 ausgestattet.

Drittens: Die Kommission hat ein viertes Programm zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis 31.12.1997 vorgeschlagen, mit dem insbesondere die Durchführung von Modellma nahmen, die Förderung des Austausches von Erfahrungen und bewährten Praktiken sowie die Sammlung von Daten bezweckt werden. Es war dem Rat nicht möglich, über dieses vierte Programm eine Einigung zu erzielen.

Sie werden verstehen, da ich als Ratspräsidentschaft nicht mehr zu den Beratungen des Rates über dieses Dossier sagen kann.

(Zwischenrufe)

Ich bin aber gerne bereit, Sie in meiner Eigenschaft als Mitglied der deutschen Bundesregierung über die Gründe der Ablehnung des vorgeschlagenen Programms durch Deutschland zu informieren. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle Ihrer Debatte nicht vorgreifen und Ihnen die Möglichkeit geben, noch Fragen zu stellen. Das ist aber nach Lage der Dinge jetzt offensichtlich nicht möglich. Deswegen möchte ich Ihnen zunächst erläutern, worin die Probleme liegen.

Es sind in der Hauptsache rechtliche Bedenken, die sich auf die Gemeinschaftskompetenz beziehen, die zu der Ablehnung durch die Bundesrepublik Deutschland geführt haben. Sie sind in keiner Weise gegen die soziale Dimension der Gemeinschaft gerichtet. Die bisherige deutsche Präsidentschaft und die Haltung Deutschlands insgesamt haben die Zustimmung zu dieser sozialen Dimension immer wieder deutlich gemacht.

Ich will jetzt also erklären, wo die rechtlichen Bedenken liegen. Die Kommission stützt den Vorschlag des vierten Programms zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung auf Artikel 235 des Vertrages. Damit macht sie selbst deutlich, da keine ausdrückliche Kompetenz besteht für allgemeine Ma nahmen zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung. Der Maastricht-Vertrag wie auch das Sozialprotokoll nennen zwar als politisches Ziel die Förderung der Solidarität und die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung. Dieses politische Ziel kann jedoch nur verfolgt werden mit den Instrumenten, die der Gemeinschaft im Vertrag ausdrücklich zugestanden wurden.

Nach deutscher Auffassung darf Artikel 235 nicht dazu genutzt werden, diese Kompetenzanordnung zu umgehen. In dieser Frage ist die Bundesregierung gebunden durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Maastricht-Vertrag. Der Vorschlag der Kommission, das bisherige Programm unverändert fortzuschreiben, hat jedoch die Tendenz, ein dauerhaftes Tätigwerden der Gemeinschaft zu begründen. Zumindest nach deutschem Verständnis verletzt der Vorschlag damit diese Kompetenzordnung.

Es handelt sich bereits um den vierten Programmvorschlag in Folge. Die Kommission selbst bezeichnet ihren Vorschlag nur als experimentelles Modellprogramm. Tatsächlich werden jedoch durch den Vorschlag die bisherigen Aktivitäten dauerhaft festgeschrieben, denn die Kommission hat das neue Programm bereits vorgeschlagen, bevor das dritte Programm beendet war und ausgewertet werden konnte. Der Programmvorschlag ist gegenüber dem Vorgängerprogramm im wesentlichen unverändert. Er sollte nach dem Willen der Kommission an das Vorgängerprogramm unmittelbar anschlie en und finanziell deutlich ausgeweitet werden.

Die vorgeschlagenen Gemeinschaftsma nahmen haben damit die Qualität einer eigenständigen Politik der Gemeinschaft erreicht. Dieser kann Deutschland auf der Grundlage des Artikels 235 des Vertrages so nicht zustimmen. Zu den Einlassungen meiner Vorredner möchte ich noch einmal auf die neuen Instrumente und die zusätzlichen finanziellen Mittel hinweisen, die der Gemeinschaft für die Ausdehnung der Aktivitäten zur Bekämpfung der Ausgrenzung zur Verfügung stehen. Die deutsche Präsidentschaft hat insbesondere den Schwerpunkt gesetzt, die Bekämpfung der Ausgrenzung durch Arbeitslosigkeit in den Vordergrund zu stellen; dafür bietet der Europäische Sozialfonds den nationalen Regierungen Gestaltungsmöglichkeiten. Wir bemühen uns im Rahmen unserer Präsidentschaft, die Aktivitäten in den Bereichen, in denen die Kompetenzen eindeutig festgelegt sind, nämlich Arbeitsschutz und Arbeitsmarktpolitik, auszudehnen und voranzubringen.

Ich will noch einmal betonen: Die deutsche Bundesregierung verkennt keineswegs die Bedeutung einer europäischen Sozialpolitik. Der fortschreitende wirtschaftliche Integrationsproze mu auch durch einen sozialen Integrationsproze begleitet werden. Die Bundesregierung ist allerdings der Auffassung, da die Gemeinschaft sich dabei auf die Bereiche konzentrieren sollte, in denen sie eindeutige Kompetenzen hat.

Ich teile im übrigen die Meinung, die hier eben schon von einer Vorrednerin und einem Vorredner geäu ert wurde, nämlich da mit den begrenzten Modellversuchen, deren Auswertung und Ergebnisse wir erst einmal kennenlernen müssen, Handreichungen für die nationale Politik gegeben sind, da jedoch diese Modellversuche allein die Lage von 50 Millionen Menschen, die in Armut leben, nicht verbessern können.

 
Argomenti correlati:
stampa questo documento invia questa pagina per mail