ENTSCHLIESSUNG B4-0038/94
Entschlie ung zur Lage in Ruanda
Das Europäische Parlament,
A.in Kenntnis des Völkermordes in Ruanda,
B.im Bedauern über die Verletzung der Vereinbarungen von Arusha,
C.in der Erwägung, da u.a. die Aktionen von Kräften der früheren ruandischen Regierung, insbesondere der Präsidentengarde und der Milizen (Interhamwe), für diese Vorkommnisse, die bewaffneter Invasion, Bürgerkrieg und der Ermordung der Präsidenden von Ruanda und Burundi folgten, verantwortlich waren,
D.in der Erwägung, da der Sicherheitsrat am 1. Juli 1994 die Einrichtung einer Untersuchungskommission forderte, um die für den Völkermord Verantwortlichen zu ermitteln und sie vor einem Internationalen Tribunal zur Rechenschaft zu ziehen,
E.in der Erwägung, da die UNO, die EU und die OAU trotz des Engagements der UNAMIR I und II-Kräfte in Ruanda und unter Berücksichtigung der Tatsache, da sie auf Anweisung des UN-Sicherheitsrates handelten, der es unterlie , geeignete Entscheidungen zu treffen, um die Massaker zu verhindern, in den Augen der Menschen in Ruanda viel von ihrer politischen Glaubwürdigkeit verloren hat,
F.beunruhigt über die offenkundige Unfähigkeit des Rates der Europäischen Union, unter derartigen Umständen entschlossen zu handeln, und im Bedauern darüber, da einzelne Mitgliedstaaten daher allein vorgehen mu ten, um das Ausma der menschlichen Katastrophe durch die Entsendung von Truppen so gering wie möglich zu halten, wie im Falle der französischen "Operation Turquoise" und Operationen in und um Goma und Bukavu, beide unter Federführung der Vereinten Nationen, sowie bei den späteren Beiträgen von Gro britannien und anderen Mitgliedstaaten zu den humanitären Anstrengungen,
G.unter Hinweis darauf, da zahlreiche einzelne Bürger sowie die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten etwa 350 Millionen ECU an humanitärer Hilfe bereitgestellt haben, die insbesondere über ECHO an UNHCR, IKRK und nichtstaatliche Organisationen weitergeleitet wurden, die alles unternommen haben, um unter den schwierigsten und dramatischsten Bedingungen Hilfe zu leisten,
H.in Anerkennung der Unterstützung durch zahlreiche Länder, darunter auch afrikanische Länder, die Personal für die UNAMIR-Operationen abgestellt haben und auf diesem Wege zu den Hilfsanstrengungen beitragen,
I.in dem Bedauern jedoch, da die internationale Völkergemeinschaft nicht ihren politischen Einflu geltend gemacht hat, um die Massaker, die Zerstörung und die vollständige Verarmung von Millionen von Männern, Frauen und Kindern zu verhindern,
J.angesichts der Gefahr eines Wiederauflebens der Gewalttätigkeiten, insbesondere in Burundi,
K.unter Hinweis auf den Bericht und die darin enthaltenen Empfehlungen der offiziellen Delegation des Europäischen Parlaments, die Ruanda und Goma (Zaire) vom 27. bis 31. Juli 1994 besuchte,
1.fordert die Europäische Union auf, die am 19. Juli 1994 vereidigte neue Regierung Ruandas anzuerkennen, die mit dem Vorsatz angetreten ist, die nationale Versöhnung im Geiste der Vereinbarungen von Arusha und in Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften der Gesellschaft Ruandas herbeizuführen, und die uneingeschränkt mit der UNO und anderen internationalen Einrichtungen bei den Bemühungen zusammenarbeitet, eine zutiefst verängstigte Bevölkerung zu repatriieren, und fordert die Regierung Ruandas nachdrücklich auf, sobald dies möglich ist und sofern die Voraussetzungen für die Durchführbarkeit gegeben sind, freie, demokratische Wahlen abzuhalten und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen;
2.fordert die Europäische Union auf, in Verbindung mit geeigneten internationalen Einrichtungen und nichtstaatlichen Organisationen zu handeln und "humanitäre Hilfsstationen" einzurichten, um den Repatriierungsproze zu erleichtern, wobei die Beteiligung ruandischer NRO anzustreben ist;
3.fordert die Europäische Union auf, eine "Beobachtergruppe für die Menschenrechte" zu schaffen, die eng mit der UNO und der OAU im Interesse der vertrauensbildenden Ma nahmen zusammenarbeitet, um aktiv diejenigen zu ermutigen, die ein gutes Gewissen haben, an ihren Herkunftsort in Ruanda zurückzukehren; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, da die bislang nur 26 von der UNO in dem Land eingesetzten Menschenrechtsbeobachter nicht ausreichend sind;
4.fordert die Europäische Union auf, in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedstaaten die Einrichtung von Strukturen zu prüfen, die zur Verhinderung derartiger Katastrophen beitragen, in der Erkenntnis, da rein diplomatische Erklärungen in solchen kritischen Situationen nahezu nichts bewirken;
5.fordert die Europäische Kommission in Übereinstimmung mit den genannten Empfehlungen auf, eine stärker strategisch ausgerichtete Funktion zu übernehmen und die NRO-Ma nahmen bei Zuständen wie in Ruanda und den Nachbarländern zu koordinieren;
6.beauftragt seinen zuständigen Ausschu , in einem ihm baldmöglichst vorzulegenden Bericht ausführlichere Vorschläge für die Einrichtung einer "humanitären Beobachtungsstelle" als Teil der gemeinsamen Au en- und Sicherheitspolitik, die die Situation in instabilen Regionen der Welt beobachten und die Grundlagen für vorbeugende politische Ma nahmen schaffen soll, zu unterbreiten;
7.fordert den Rat und die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, den notwendigen Druck auszuüben, um die Kräfte der früheren ruandischen Regierung daran zu hindern, sich in Zaire oder anderswo zu sammeln, sich wieder zu bewaffnen und erneut Menschen durch Ausweitung des Bürgerkriegs zu töten, der sich zu einem regionalen Konflikt in gro em Ma stab entwickeln könnte, falls nicht geeignete Ma nahmen ergriffen werden;
8.fordert darüber hinaus die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf, Mittel und Wege zu finden, um dem ruandischen Volk den Zugang zu einer objektiven Information über die Lebensbedingungen und die Situation im Lande zu ermöglichen;
9.fordert die Union au erdem auf, gemeinsam mit der UNO und der OAU Mittel und Wege zu suchen, um den Einschüchterungen ein Ende zu bereiten, die in den Flüchtlingslagern von den Anhängern der früheren Regierung, die die Rückkehr behindern, verübt werden;
10.betont, da zur Verhinderung einer Hungersnot besondere Anstrengungen der Geber- und auch der afrikanischen Länder beim Wiederaufbau der Landwirtschaft des Landes und der Struktur der Nahrungsmittelverteilung notwendig sind; fordert au erdem die UNO auf, mit der neuen Regierung Ruandas zusammenzuarbeiten und geeignete institutionelle Verfahren festzulegen, um die Probleme in Verbindung mit den Landrechten und die Rückgabe des Eigentums an Vertriebene zu lösen;
11.begrü t die laufenden Anstrengungen der Hilfsorganisationen, um das Leiden unter der ruandischen Bevölkerung zu mindern, und wünscht die Beibehaltung und Verstärkung dieser Anstrengungen, insbesondere zugunsten der verlassenen Kinder und der Kriegswaisen;
12.fordert die Kommission auf, in Absprache mit der Regierung Ruandas dringend benötigte technische Hilfe zu gewähren, um den Verwaltungsapparat, darunter auch das Justizsystem, eine zivile Polizei, das Bankensystem, das Bildungssystem und das Gesundheitswesen wiederaufzubauen sowie Finanzhilfe für den Wiederaufbau der Infrastruktur des Landes bereitzustellen;
13.fordert die internationale Völkergemeinschaft auf, Ma nahmen zu ergreifen, damit das Vermögen des ruandischen Staates, das die frühere Regierung sich angeeignet hat, zurückgegeben wird, und diese Mittel dazu verwendet werden können, einen Teil der Wiederaufbauma nahmen zu finanzieren;
14.begrü t die Zustimmung der ruandischen Führung zur baldigen Einsetzung eines Internationalen Tribunals für die Beurteilung der in Ruanda verübten Kriegsverbrechen und fordert die Länder, die auf ihrem Hoheitsgebiet Personen, die derartiger Verbrechen verdächtigt werden, Unterschlupf gewähren, auf, diese auszuweisen, damit sie vor dieses Gericht gestellt werden können;
15.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung dem Rat und der Kommission, den Parlamenten der Mitgliedstaaten, den Regierungen von Ruanda, Burundi und Zaire sowie den Generalsekretären der Vereinten Nationen und der OAU zu übermitteln.