B4-0469/94
Entschlie ung zu den im Jahre 1994 erzielten Fortschritten bei der Verwirklichung der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres gemä Titel VI des Vertrags über die Europäische Union
Das Europäische Parlament,
-gestützt auf Artikel K.6 des EU-Vertrags,
A.in der Erwägung, da die Union über einen einheitlichen institutionellen Rahmen verfügt und die Grundrechte sowie die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet, deren Regierungssysteme auf den Grundsätzen der Demokratie beruhen,
B.in der Erwägung, da alle in Titel VI des EU-Vertrags vorgesehenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres weitestgehend ausgeschöpft werden müssen, damit die in Artikel K.1 des Vertrags vorgesehenen Ziele der Union erreicht werden,
C.in der Erwägung, da der Vorsitz und die Kommission gemä Artikel K.6 Absatz 1 EUV das Europäische Parlament regelmä ig über die in diesem Bereich durchgeführten Arbeiten unterrichten müssen und da der Vorsitz gemä Artikel K.6 Absatz 2 EUV das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten der Tätigkeit in diesen Bereichen hören und darauf achten mu , da "die Auffassungen des Europäischen Parlaments gebührend berücksichtigt werden",
D.in der Erwägung, da die Durchführung dieses Titels VI ein Einvernehmen zwischen Rat, Kommission und Parlament voraussetzt, und da derzeit einschlägige interinstitutionelle Verhandlungen im Gange sind,
E.in der Erwägung, da sich die Verwirklichung der in Artikel K.1 Absätze 1 bis 9 des EU-Vertrags genannten Ziele bedauerlicherweise verzögert hat,
F.in der Erwägung, da wichtige Initiativen wie z. B. das Dubliner Abkommen zur Asylpolitik, das Abkommen über das Überschreiten der Au engrenzen, Ma nahmen zu einer gemeinsamen Visapolitik sowie zahlreiche Initiativen zu gemeinsamen Schritten einer europäischen Zuwanderungspolitik, die vom Rat - anders als vom EP - als Voraussetzungen für die Schaffung des freien Personenverkehrs in der EU bezeichnet werden und deshalb vom Rat vorrangig behandelt werden mü ten, aber trotz der Dringlichkeit der anstehenden Fragen immer noch nicht zur Anwendung gekommen sind,
G.in der Erwägung, da die organisierte Kriminalität, einschlie lich des illegalen Handels mit Kernmaterial, bekämpft werden mu , und die Weltkonferenz über die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (Neapel, 21.-23. November 1994) einerseits die beunruhigende Entwicklung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, die sich immer raffinierterer Instrumente bedient, um die häufig unangemessene Bekämpfung durch die Staaten zu neutralisieren, gezeigt hat und andererseits eine wirksamere Form der internationalen Zusammenarbeit zur Prävention und zur Repression der Kriminalität empfohlen hat, sowie in der Erwägung, da die Nichteinhaltung der Frist - Oktober 1994 - für die Annahme des Entwurfs eines Europol-Übereinkommens ein Beispiel für die Verzögerungen bei der Arbeit des Rats der Justiz- und Innenminister ist,
1.ist der Ansicht, da die bisherige Verwirklichung der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres nicht ausreicht und die Erwartungen der europäischen Bürger enttäuscht hat;
2.sieht die Gründe dafür:
-zum einen darin, da einige Mitgliedstaaten auf der Anwendung der Verfahren der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im Rat beharrt haben sowie darin, da trotz der Anstrengungen der aufeinanderfolgenden Präsidentschaften, des konstruktiven Ansatzes der Kommission und der breiten Übereinstimmung zwischen den Mitgliedstaaten über wichtige Übereinkommen aufgrund der Einstimmigkeitsregel keine Fortschritte erzielt werden konnten;
-zum anderen in der Struktur und dem einschränkenden Charakter des Titels VI, womit eine Änderung des Vertrags in den Bereichen Justiz und Inneres anlä lich der Regierungskonferenz 1996 umso notwendiger wird;
3.fordert, da die folgenden Verpflichtungen des Rates und des Vorsitzes gemä Artikel K.6 des EU-Vertrags vollständig verwirklicht werden:
-die Verpflichtung gemä Absatz 1, das Europäische Parlament regelmä ig zu unterrichten, d.h. in der Praxis, dem Ausschu für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten regelmä ig Informationen zu übermitteln;
-die Verpflichtung gemä Absatz 2, das Europäische Parlament, d.h. seinen zuständigen Ausschu , zu den wichtigsten Aspekten der Tätigkeit in den Bereichen Justiz und Inneres zu hören und insbesondere die Verpflichtung des Vorsitzes gemä Artikel K.3 Absatz 2, das Parlament vor jeder Beschlu fassung zu hören;
-die Verpflichtung gemä Absatz 2, das Europäische Parlament vor jeder Beschlu fassung im Rat zu hören, da andernfalls die demokratischen Grundsätze nicht geachtet werden;
fordert au erdem eine vorherige und unverzügliche Information sowie eine Weiterbehandlung aller Empfehlungen des Europäischen Parlaments, wobei der Rat gegebenenfalls die Gründe für seine Ablehnung mitteilt;
4.stellt fest, da die in Ziffer 3 letzter Spiegelstrich genannte Anhörung nur in den Fällen erfolgt ist, in denen die Kommission die Annahme eines Übereinkommens über die Au engrenzen und eines Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen gemä Artikel K.3 des EU-Vertrags vorgeschlagen hat;
5.fordert, da die jährliche Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung von Titel VI gemä Artikel K.6 Absatz 3 auf der Grundlage eines schriftlichen Berichts des Rates erfolgt;
6.fordert den Rat und die Kommission auf, umgehend eine interinstitutionelle Vereinbarung mit dem Europäischen Parlament über die praktischen Aspekte der Durchführung von Titel VI des EU-Vertrags zu treffen;
7.kritisiert die Praxis des Rates, Entschlie ungen, Empfehlungen, Schlu folgerungen und Erklärungen anzunehmen, deren Unantastbarkeit dadurch noch verstärkt wird, da sie nicht im Amtsblatt veröffentlicht werden;
8.erinnert daran, da Titel VI des EU-Vertrags "unbeschadet der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft" diese ergänzt und zur Verwirklichung der Ziele der Union beiträgt;
9.bekräftigt seinen Standpunkt, da die unterlassene Abschaffung der Grenzkontrollen nicht damit gerechtfertigt werden kann, da keine Ausgleichsma nahmen getroffen wurden und da der diesbezügliche Entscheidungsproze schleppend verläuft; erinnert daran, da in Artikel 7 a des EU-Vertrags der freie Personenverkehr bis zum 31. Dezember 1992 vorgesehen ist; verweist auf das beim Europäischen Gerichtshof anhängige Verfahren gemä Artikel 175;
10.vertritt die Ansicht, da Artikel K.9 des EU-Vertrags insbesondere auf Asyl- und Einwanderungsfragen angewandt werden mu , und fordert die Kommission daher auf, entsprechende Vorschläge vorzulegen;
11.bekräftigt seine Ansicht, da die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Teil der Gemeinschaftspolitik ist und weist den Rat auf die einschlägigen Arbeiten des Parlaments und des Europarats hin; begrü t die deutsch-französische Initiative bezüglich der Einsetzung des Beratenden Ausschusses und wünscht, da die Vorschläge dieses Ausschusses den zahlreichen einschlägigen Stellungnahmen des Europäischen Parlaments Rechnung tragen, und befürwortet eine grö tmögliche Anwendung von Ma nahmen im Rahmen der Gemeinschaft, um neue zwischenstaatliche Vereinbarungen zu vermeiden, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen;
12.bedauert, da das Europol-Übereinkommen nicht innerhalb der angekündigten Frist angenommen wurde; verlangt, zu dem Übereinkommensentwurf gehört zu werden und fordert nachdrücklich, Europol mit ausreichenden Mitteln auszustatten, damit es zu einer effizienten Organisation für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität wird und da dabei die vom Europäischen Parlament bei anderen Anlässen vertretenen Standpunkte zum Datenschutz und zur Achtung der Grundfreiheiten und der Bürgerrechte berücksichtigt werden;
13.bedauert, da die Entschlie ung des Rates vom 20. Juni 1994 zur Begrenzung der Aufnahme von Staatsangehörigen aus Drittländern zu Beschäftigungszwecken in den Mitgliedstaaten ohne jede Anhörung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente angenommen wurde und bemängelt, da diese Entschlie ung den wiederholt vertretenen Standpunkten des Europäischen Parlaments entgegensteht;
14.fordert, wiederholt, da zu der Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft eine Richtlinie mit Durchführungsbestimmungen für die Sanktionen gemä Artikel 209 a des EG-Vertrags erlassen wird;
15.bemängelt die mangelnde Transparenz der gefa ten Beschlüsse und äu ert seine Besorgnis hinsichtlich der Einhaltung der staatsbürgerlichen Grundrechte und der individuellen Rechtsschutzgarantien in den Bereichen des dritten Pfeilers;
16.ist besorgt über die Schaffung neuer ständiger Einrichtungen im Rat, die sich aus Experten der Mitgliedstaaten zusammensetzen, deren Befugnisse sich mit denen der in der Kommission bereits bestehenden Einrichtungen überschneiden;
17.begrü t den Beschlu , für den Aufgabenbereich Justiz und Inneres ein einziges Kommissionsmitglied zu benennen und schlägt vor, da ein Kommissionsmitglied mit der Koordinierung in den Bereichen Rassismus und Menschenrechte betraut wird;
18.stellt einige Fortschritte in folgenden Bereichen fest:
-Beschlu des Rates, eine gemeinsame Aktion anzunehmen, um die Reisen der in einem Mitgliedstaat wohnhaften Schüler aus Drittländern zu erleichtern;
-Entwurf eines Übereinkommens im Bereich des Familien- und Erbrechts;
-schrittweise Harmonisierung der Politiken der Mitgliedstaaten im Bereich der Wiederaufnahme;
-Durchführung der Berliner Erklärung im Anschlu an die Konferenz mit den mittel- und osteuropäischen Ländern vom 8. September 1994 zur Bekämpfung der Drogenkriminalität und der organisierten Kriminalität in Europa;
19.bemängelt jedoch, da keine oder nur unzureichende Fortschritte in den meisten in Artikel K.1 Ziffern 1 bis 9 vorgesehenen Bereichen und insbesondere in folgenden Bereichen erzielt wurden:
a)Asyl - Einwanderung
-Ratifizierung des Dubliner Übereinkommens vom 15. Juni 1990 durch alle Mitgliedstaaten,
-Harmonisierung der Definition des Begriffs "Flüchtling" im Sinne von Artikel 1a der Genfer Konvention und Angleichung der Aufnahmebedingungen,
-vorübergehender Schutz für gefährdete Gruppen und insbesondere für Bürgerkriegsopfer,
-Solidarität bei der Verteilung der Belastungen anlä lich der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien,
-Lage der Staatsangehörigen von Drittländern, die sich legal in einem Mitgliedstaat aufhalten,
-Ausgleichsma nahmen für die Durchführung des Übereinkommens über die Au engrenzen und die Freizügigkeit,
b)Zusammenarbeit im Polizei- und Zollwesen,
-Bekämpfung des Drogenhandels und der organisierten Kriminalität,
-schleppende Ausarbeitung der Übereinkommen über das SID (Zollinformationssystem) und das SIE (Europäische Informationssystem),
c)Justitielle Zusammenarbeit
-justitielle Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der internationalen organisierten Kriminalität, darunter auch des Menschenhandels,
-Vereinfachung der Verfahren zur Übermittlung von Akten zwischen den Mitgliedstaaten;
20.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung dem Rat, der Kommission, dem Wirtschafts- und Sozialausschu sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und den Beitrittskandidatenländern zu übermitteln.