B4-0393/95
Entschlie ung zu den Zukunftsperspektiven in der Schiffbauindustrie
Das Europäische Parlament,
-in Kenntnis der Richtlinie 90/684/EWG des Rates vom 21. Dezember 1990 über Beihilfen für den Schiffbau, zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/73/EWG des Rates vom 19. Dezember 1994,
-in Kenntnis des Vorschlags für einen Beschlu des Rates über den Abschlu des Übereinkommens über die Einhaltung normaler Wettbewerbsbedingungen in der gewerblichen Schiffbau- und Schiffsreparaturindustrie (KOM(94)0460),
-in Kenntnis der Anworten der Kommission und des Rates auf die mündlichen Anfragen B4-0153 und 0154/95,
A.in der Erwägung, da während der letzten fünfzehn Jahre die Schiffbauindustrie der Europäischen Union bereits enorme Anstrengungen zur Reduzierung der Produktionskapazitäten unternommen hat und da die Durchführung der Gemeinschaftsrichtlinie seit 1988 zu einer beträchtlichen Reduzierung der Beihilfen für den Schiffbau in der Union (von 23 auf 9%) geführt hat,
B.in der Erwägung, da die Überalterung der weltweiten Handelsflotte die ökologischen und ökonomischen Risiken verstärkt und somit einen objektiven Bedarf an ihrer Modernisierung geschaffen hat,
C.unter Hinweis darauf, da die unzulänglichen Sicherheitsnormen, vor allem unter Billigflaggen, in hohem Ma e dazu beigetragen haben, eine effektive Offenlegung dieses Bedarfs zu verhindern,
D.in der Erwägung, da seit 1976 der Personalbestand der Schiffbau- und Schiffsreparaturbetriebe von 273.000 auf 84.000 Personen gesunken ist,
E.in der Erwägung, da dieser Kapazitätsabbau in einigen Ländern der Union wie z.B. dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den Niederlanden quasi zum Untergang dieser Industrie geführt hat,
F.unter Hinweis auf die schweren Folgen, die die Umstrukturierung dieses Industriezweigs für die wirtschaftliche und soziale Lage in einigen Regionen der Union gehabt hat,
G.in der Erwägung, da die Union, die eine der grö ten Handelsmächte der Welt ist, eine Schiffahrtpolitik betreiben sollte, die darauf abzielt, eine ausreichende und wettbewerbsfähige Produktionskapazität im Schiffbausektor zu erhalten,
H.unter Hinweis darauf, da das im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zwischen den in diesem Bereich weltweit führenden Ländern geschlossene Abkommen alle Beihilfen für den Schiffbau mit Ausnahme der Beihilfen für Forschung und Entwicklung und der sozialen Beihilfen im Zusammenhang mit der Stillegung von Werften ausschlie t und sich nicht auf die Entwicklung der Produktionskapazitäten bezieht,
I.in der Erwägung, da neue Industrieländer wie Südkorea ihre Produktionskapazität während der nächsten Jahre um rund 100 % erhöhen dürften, was eine intelligente und solidarische Regulierung der künftigen weltweiten Nachfrage im Rahmen von Konsultationen mit bereits industrialisierten Ländern erforderlich macht,
J.unter Hinweis auf die schweren Folgen (wie Preisrückgang, Verluste an Arbeitsplätzen und drohende Schlie ung der noch betriebenen Werften), die die Errichtung neuer Produktionskapazitäten in einem Sektor EU- und weltweit herbeiführen könnte, der bereits dem Druck eines weltweiten Überangebots unterworfen ist, wobei eine objektiv hohe Nachfrage nicht zum Ausdruck kommen kann,
1.bedauert, da es der Rat trotz der weitreichenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieses Abkommens nicht für zweckmä ig erachtet hat, das Parlament in diesem Zusammenhang zu konsultieren;
2.fordert die Kommission und den Rat auf, Abkommen, die den Schiffbau im Zusammenhang mit der OECD betreffen, automatisch dem Parlament vorzulegen;
3.unterstreicht in diesem Zusammenhang das "Demokratiedefizit" des Vertrages über die Europäische Union betreffend die Beteiligung des Parlaments an der demokratischen Kontrolle der gemeinsamen Handelspolitik, ein Mangel, der während der nächsten Regierungskonferenz unbedingt behoben werden sollte;
4.vertritt die Auffassung, da das OECD-Schiffbauabkommen nur dann ratifiziert werden kann, wenn die Europäische Kommission als Verhandlungspartner bei der Auslegung der Texte darauf achtet, gesetzliche Schlupflöcher zu vermeiden; auf jeden Fall sollte das Abkommen eine umfassende Verpflichtung für jede vertragschlie ende Partei beinhalten;
5.fordert, da das Abkommen gemä Artikel 228 Absatz 3 zweiter Unterabsatz des EG-Vertrags dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden sollte, im Hinblick auf die Folgen des OECD-Schiffbauabkommens für den Wettbewerb und die Wettbewerbsfähigkeit der EU und für den EU-Haushalt;
6.weist darauf hin, da die Respektierung der Grundsätze der Fairne , Solidarität und internationaler Verantwortlichkeit durch jedes Erzeugerland die wesentliche Voraussetzung darstellt, um gerechte und ausgewogene Marktbedingungen für alle Parteien zu schaffen;
7.ist der Auffassung, da die Durchführung des im Rahmen der OECD geschlossenen Übereinkommens über normale Wettbewerbsbedingungen die Probleme der Zukunft des Schiffsbaus in der Union nicht völlig hat lösen können, da es nicht verhindern kann, da Projekte zur Erhöhung des Produktionskapazitäten anderen Ländern Schaden zufügen, und unterstreicht, da dieses Übereinkommen toter Buchstabe bleiben würde, falls solche Vorhaben zur Expansion der Kapazität nicht durch angemessene Ma nahmen flankiert werden, die die Realisierung der objektiven Erfordernisse auf dem Weltmarkt regulieren;
8.ist der Auffassung, da die Union einen weiteren Kapazitätsabbau zugunsten ihrer Konkurrenten nicht mehr zulassen darf;
9.ist dagegen der Meinung, da die Strategie der Union im beiderseitigen Interesse auf eine verstärkte Zusammenarbeit in diesem Sektor abzielen sollte, damit die Union aus einem eventuellen Wiederanstieg der Nachfrage auf dem Weltmarkt Nutzen ziehen kann;
10.fordert die Kommission auf, ihr Augenmerk darauf zu richten, ob Drittländer, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, indirekte oder verschleierte Beihilfen gewähren sowie Strategien des sozialen und ökologischen "Dumping" befolgen, die den internationalen Wettbewerb in diesem Sektor verfälschen könnten, indem die Bestimmungen des Übereinkommens umgangen werden;
11.fordert ferner die Kommission auf, über die allgemeine Einhaltung des OECD-Abkommens zu wachen und dabei zu berücksichtigen, da die Werften der Gemeinschaft nur über ein Jahr verfügen, um sich auf die neue Lage vorzubereiten, und die derzeitige Richtlinie zu verlängern, falls festgestellt wird, da das Abkommen von den meisten Unterzeichnerstaaten nicht eingehalten wird;
12.wünscht ferner, da die Union eine besonders aktive Rolle in den Schiedsgruppen spielt, die eventuelle Konflikte überprüfen müssen;
13.fordert die Kommission auf, eine ausführliche Bilanz des gesamten objektiven Bedarfs an Modernisierung der Handelsflotte sowie jeder protektionistischen Strategie, aller staatlichen Beihilfen und aller anderen Formen von Unterstützung für den Schiffbau aufzustellen, wie sie in Drittländern und in der Union praktiziert werden;
14.fordert die Kommission ferner auf, eine Studie über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Durchführung des Abkommens für die Europäische Union auszuarbeiten und sie dem Europäischen Parlament vor 1996 zu unterbreiten;
15.fordert die Kommission auf, eine Strategie auszuarbeiten, um die südkoreanischen Behörden zu zwingen, ihrer Verpflichtung zur internationalen Solidarität nachzukommen, indem die koreanischen Erzeuger davon abgehalten werden, die Produktionskapazität der Schiffswerften zu erhöhen und diese Frage in die Verhandlungen über das Handels- und Kooperationsabkommen mit Südkorea einzubeziehen;
16.fordert die Kommission auf, mit Unterstützung der Reeder, Schiffbauer, Hafenbehörden, Unterlieferanten und Sozialpartner und in enger Zusammenarbeit mit ihnen eine Strategie der industriellen Kooperation auszuarbeiten, die darauf abzielt, die Wettbewerbsfähigkeit und Kooperationskapazität des Sektors durch folgende Ma nahmen zu verstärken:
a)die Ermittlung des neuen Bedarfs und der künftigen Absatzmärkte,
b)die Organisation von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen, die dem künftigen Bedarf und technologischen Spitzenaktivitäten angepa t sind,
c)Bemühungen um bessere Ausbildung auf allen Ebenen;
17.besteht darauf, da so rasch wie möglich eine Verordnung über ein spezifisches gemeinschaftliches Sozialprogramm und flankierende Ma nahmen zugunsten der arbeitslos gewordenen oder von der Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer angenommen werden müssen;
18.fordert die Kommission auf, ihm und dem Rat bis zum 30. September 1995 konkrete Vorschläge für die Durchführung der in dieser Entschlie ung aufgeführten Grundsätze zu unterbreiten;
19.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Sekretariat der OECD und dem Europäischen Verband der Schiffbauunternehmen zu übermitteln.