A4-0063/95
Entschlie ung zu der Mitteilung der Kommission "Grünbuch über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze" (Teil I - Grundsätze und Zeitrahmen) (KOM(94)0440 - C4-0209/94)
Das Europäische Parlament,
-in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission über die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur und der Kabelfernsehnetze (KOM(94)0440 - C4-0209/94),
-in Kenntnis der Mitteilung der Kommission "Europas Weg in die Informationsgesellschaft - ein Aktionsplan" (KOM(94)0347 - C4-0093/94),
-in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Forschung, technologische Entwicklung und Energie, des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte und des Ausschusses für Kultur, Bildung, Jugend und Medien (A4-0063/95),
A.in der Erwägung, da der Telekommunikationssektor in den meisten Staaten der Europäischen Union noch immer durch Aufspaltung an den Staatsgrenzen, monopolartige Organisation und hohe Preise gekennzeichnet ist,
B.in der Erwägung, da es zur Vollendung des Binnenmarkts und zur Durchführung der EG-Politik für Wettbewerb und Dienstleistungsfreiheit geboten ist, diesen Rahmen durch ein System zu ersetzen, das auf dem Wettbewerb und dem Bemühen um das günstigste Verhältnis von Dienstleistungsqualität und Kosten beruht,
C.in der Erwägung, da dieser Schritt nicht nur an sich wünschenswert ist, sondern vor allem eine entscheidende Voraussetzung dafür darstellt, leistungsfähige transeuropäische Netze für Telekommunikation aufzubauen, die eine rasche Verwirklichung der Informationsgesellschaft in Europa ermöglichen und die unseren Gesellschaften und Volkswirtschaften die Möglichkeit bieten, sich diese potentiellen Entwicklungen voll zunutze zu machen,
D.in der Erwägung, da zur Schaffung dauerhafter Verbindungen im lokalen Netz, zur Abwendung der Gefahr von Monopolpositionen und zur Gewährleistung eines wettbewerbsfördernden Umfelds, das Chancengleichheit garantiert, so da die europäische Telekommunikationsindustrie auf dem Weltmarkt mit den "global players" konkurrieren kann, auf Dauer regelnde Eingriffe notwendig sein werden,
E.in der Erwägung, da die Liberalisierung der alternativen Telekommunikationsinfrastrukturen und Kabelfernsehnetze für bereits liberalisierte Dienste von einer Übereinstimmmung über die Grundzüge eines europaweiten ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation abhängig ist und in einem Tempo erfolgen sollte, das mit der derzeitigen technologischen Erneuerung und Globalisierung der Telekommunikationsmärkte vereinbar ist,
F.in der Erwägung, da ein solcher Rahmen, der auch die Definition und Bereitstellung eines Universaldienstes umfa t, den privaten Investoren hinreichend Sicherheit für umfangreiche Investitionen gibt, was zu einem schnellen Ausbau der Kapazitäten führen wird,
G.in der Erwägung, da eine Entscheidung über eine vorgezogene Liberalisierung alternativer Telekommunikationsinfrastrukturen und Kabelfernsehnetze in jedem Fall zusammen mit der Diskussion und Entscheidung über das Grünbuch - Teil 2 (ordnungspolitischer Rahmen) - erfolgen mu ,
1.billigt die in dem Grünbuch enthaltenen Optionen in bezug auf Grundsätze und Zeitplan, insbesondere den Termin 1. Janaur 1998 für die vollständige Liberalisierung der Infrastruktur;
2.verlangt, da die Liberalisierung und die in einigen Mitgliedstaaten beabsichtigte Privatisierung in eine strukturangepa te gesamteuropäische Strategie eingebettet sind; fordert die Kommission auf, eine Charta der öffentlichen Dienste auszuarbeiten und in ihren Vorschlägen zur Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastruktur einen Rechtsrahmen vorzusehen, der den öffentlichen Dienst nicht untergräbt; vertritt die Auffassung, da das Grundprinzip, da die Versorgung mit Telekommunikationsinfrastrukturen bis zum 1. Januar 1998 liberalisiert werden soll, wofür die Kommission dieses Jahr noch entsprechende Vorschläge unterbreiten wird, in keinem Widerspruch dazu steht, da einzelne Mitgliedstaaten die Liberalisierung vor diesem Termin einführen können, und da die Kommission diese Möglichkeit ausdrücklich in ihre/n Richtlinienentwurf bzw. -entwürfe einbeziehen sollte;
3.betont die Notwendigkeit, den öffentlichen Diensten die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln und anzupassen und dabei dem Bedarf der Nutzer und dem technologischen Fortschritt besser Rechnung zu tragen;
4.vertritt die Auffassung, da Pilotprojekte zur Vorbereitung auf den ab 1. Januar 1998 liberalisierten Telekommunikationsmarkt (z.B. zur Verbesserung der Interoperabilität und im Hinblick auf die transeuropäischen Netze) grundsätzlich ab sofort ermöglicht werden sollten;
5.erinnert an seine früheren Erklärungen - insbesondere seine Entschlie ung vom 20. April 1993 zu der Mitteilung der Kommission vom 21. Oktober 1992 über die Prüfung der Lage im Bereich der Telekommunikationsdienste (1992) - bezüglich der Aufhebung der Beschränkungen für die Nutzung von Kabelfernsehinfrastruktur für Telekommunikationsdienste und verlangt eine baldige Aufhebung dieser Beschränkungen in bezug auf Dienste des nicht reservierten Bereichs.
6.weist die Kommission darauf hin, da die ungehinderte Erbringung von Dienstleistungen wesentliches Element der Vollendung des Binnenmarkts ist, und verlangt deshalb, die entsprechenden Rechtsakte auf Artikel 100 a des EG-Vertrags zu stützen;
7.fordert die Kommission erneut auf, eine Richtlinie über das Verbot von Zusammenschlüssen unter Berücksichtigung der Entwicklung der Telekommunikation im Hinblick auf die "Informationsgesellschaft" auszuarbeiten, da das Wettbewerbsrecht allein nicht den Pluralismus gewährleisten kann;
8.bringt seine Bedenken gegen die Entschlie ung des Rates vom 22. Dezember 1994 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen zum Ausdruck und stellt die Art und die Gültigkeit eines solchen Instruments in Frage, das in keinem Fall als für die anderen Gemeinschaftsorgane verbindlich angesehen werden kann; fordert die Kommission und den Rat auf, sich zu verpflichten, da dem Parlament künftig Gelegenheit gegeben wird, zu jedem Entwurf einer Entschlie ung des Rates über Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen, Stellung zu nehmen, bevor er vom Rat angenommen wird;
9.unterstützt die Auffassung, da für eine vollständige Liberalisierung der Infrastruktur - einschlie lich bestehender alternativer Infrastrukturen - und der Dienste vorab die öffentlichen Dienstleistungsaufgaben für alle Betreiber in Form von Richtlinien festzulegen sind, ein Regelungsmodell zu schaffen ist, das gleichen und diskriminierungsfreien Zugang für die Diensteanbieter garantiert und bei der Anbindung an das Netz Einrichtungen von öffentlichem Interesse Vorrang einräumt - beispielsweise Arztpraxen und Krankenhäusern, Schulen, Hochschulen und Universitäten, Kommunalbehörden, Büchereien, kulturellen Einrichtungen (Museen und Galerien) und Einrichtungen für Behinderte -, und da ein europäischer Regelungsrahmen gleichzeitig mit der Liberalisierung zu schaffen ist, der die bereits in seiner Entschlie ung vom 30. November 1994 zur Empfehlung an den Europäischen Rat "Europa und die globale Informationsgesellschaft" und zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Europäische Parlament, den Wirtsch
afts- und Sozialausschu und den Ausschu der Regionen "Europas Weg in die Informationsgesellschaft: Ein Aktionsplan" genannten Bereiche betrifft:
-Zuteilung von Lizenzen,
-Verbundsystem,
-Zugang der Nutzer und der Anbieter von Diensten zu den Netzen,
-Gewährleistung des von den Betreibern insgesamt finanzierten universellen Dienstes,
-Tarifgestaltung, insbesondere bei der Festsetzung sozial und regioal gestaffelter Tarife,
-Nutzungssicherheit und Schutz der Netze gegen böswillige oder zufällige Eingriffe (Netzintegrität),
-Schutz und Honorierung des geistigen Eigentums,
-Kodierung und "elektronische Unterschrift",
-Schutz der privaten Daten und Persönlichkeitsschutz,
-Schutz des Verbrauchers;
und fordert die Kommission auf, dem Rat und dem Parlament einen Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Telekommunikationsbehörde vorzulegen, deren Aufgabe darin bestünde, auf europäischer Ebene die Bestimmungen durchzusetzen, die zum raschen Aufbau leistungsfähiger europäischer Informationsstrukturen und -dienstleistungen notwendig sind, wobei die Beziehungen zu den einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden darzulegen sind;
10.fordert die Kommission auf, nicht alles, was Kultur, Information, Bildung und Gesundheit betrifft, ausschlie lich wirtschaftlichen Erwägungen zu unterwerfen und dabei die kultur- und sozialpolitischen Ziele der Regelungsma nahmen zu übersehen, wozu Priorität für den Anschlu von öffentlichen Einrichtungen an das Netz (wie Schulen, Büchereien, Krankenhäuser und allgemeinmedizinische Praxen) sowie Einrichtungen für Behinderte gehört;
11.nimmt zur Kenntnis, da die Verflechtung und die wechselseitigen Eigentumsrechte zwischen verschiedenen Zweigen in den Sektoren Information, Kommunikation und Kultur zunehmen; legt gro en Wert auf Pluralismus, kulturelle Vielfalt und freien Zugang zu den Mitteln zur Verbreitung von Information und Kultur; fordert die Kommission auf zu prüfen, welche Schutzma nahmen über das Wettbewerbsrecht hinaus notwendig sind, um diese Ziele zu schützen, und darüber Bericht zu erstatten;
12.räumt ein, da bestimmte Mitgliedstaaten, deren Hoheitsgebiet ganz oder zum gro en Teil von Ziel 1 der Strukturfondsverordnungen erfa t ist, zur Durchführung der notwendigen strukturellen Anpassungen eine zusätzliche Übergangszeit beantragen dürfen, vertritt aber die Auffassung, da die Gewährung einer solchen Ausnahmeregelung von der tatsächlichen Durchführung dieser strukturellen Anpassungen abhängig gemacht werden mu , die in ein von der Kommission zu billigendes nationales Programm aufzunehmen sind, und da eine solche Ausnahmeregelung im Fall anderer Staaten oder Netze nicht gerechtfertigt ist;
13.erklärt sich besorgt über die zahlreichen Arbeitsplätze, die in den nächsten Jahren durch diese Liberalisierung verlorengehen; fordert die Kommission daher auf, im Rahmen der Informationsgesellschaft gezielte Ausbildungsprogramme für die Personen vorzusehen, die im Zuge der Liberalisierung arbeitslos werden, um ihre Mobilität und ihre berufliche Qualifikation zu verbessern;
14.fordert die Kommission auf, spezifische Regelungsvorschläge auszuarbeiten, die die im Vorstehenden dargelegten Vorbedingungen umfassen;
15.fordert die Kommission und den Rat auf, dafür zu sorgen, da die Öffnung des Zugangs für Betreiber aus Drittstaaten zur Infrastruktur der Europäischen Union nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit erfolgt;
16.beauftragt seinen Präsidenten, diese Stellungnahme dem Rat und der Kommission zu übermitteln.