A4-0132/95
Entschlie ung zu dem ersten Jahresbericht des Europäischen Währungsinstituts (EWI)
Das Europäische Parlament,
-unter Hinweis auf den EG-Vertrag und insbesondere dessen Artikel 109 f,
-unter Hinweis auf das dem EU-Vertrag beigefügte Protokoll Nr. 4 über die Satzung des EWI,
-in Kenntnis des ersten Jahresberichts des EWI, der gemä Artikel 11.3 seiner Satzung ausgearbeitet und dem Europäischen Parlament vorgelegt wurde (C4-0124/95),
-unter Hinweis auf die Anhörung des Präsidenten des EWI in der Sitzung des Unterausschusses "Währung" des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik vom 12. April 1995,
-in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik (A4-0132/95),
A.in der Erwägung, da in dem ersten Jahresbericht des EWI zunächst die wirtschafts-, währungs- und haushaltspolitischen Entwicklungen sowie die Lage in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich des wirtschaftlichen Zusammenhalts beschrieben werden; ferner in der Erwägung, da anschlie end die Rolle und Tätigkeiten des EWI sowie die institutionellen Merkmale der nationalen Zentralbanken in Zusammenhang mit den Bestimmungen der Artikel 104, 104 a, 107 und 108 des EG-Vertrags erläutert werden,
B.in der Erwägung, da die Ausführlichkeit dieses Berichts die Bereitschaft des EWI signalisiert, so eng wie möglich mit den institutionellen Organen der Gemeinschaft zusammenzuarbeiten und ihnen, aber auch der Öffentlichkeit, die bestmöglichen Informationen über die Fortschritte auf dem Weg zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion bereitzustellen,
C.in der Erwägung, da zwar gewisse Fortschritte bezüglich der Preisstabilität zu verzeichnen sind, da aber das Risiko inflationsbedingter Sachzwänge - insbesondere in den Ländern, in denen die Haushaltsdefizite und die öffentliche Verschuldung noch auf hohem Niveau sind - nicht beseitigt ist,
D.in der Erwägung, da der teilweise auf konjunkturellen Einflüssen beruhende Abbau der Haushaltsdefizite nicht in allen Mitgliedstaaten gleich ausgeprägt und in vielen von ihnen auch keineswegs stabil ist und da daher das Risiko besteht, da die Haushaltssituation bei einer Umkehr der konjunkturellen Tendenzen wieder kritisch wird,
E.in der Erwägung, da 1994 auf den Devisenmärkten eine grö ere Stabilität herrschte als in den Jahren 1992 und 1993, da aber die jüngsten Unregelmä igkeiten auf den Devisenmärkten sowie die Abwertungen der letzten Monate Anla zu Besorgnis geben,
F.in der Erwägung, da die 1993 zu beobachtende Tendenz zu einer Senkung der langfristigen Zinssätze sich im Jahre 1994 in den meisten Mitgliedstaaten umgekehrt hat, allerdings mit erheblichen Diskrepanzen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat,
G.in der Erwägung, da kein ausreichender Fortschritt im Bereich des wirtschaftlichen Zusammenhalts zu verzeichnen ist; da die grö tenteils strukturelle Arbeitslosigkeit immer noch auf einem hohen Niveau ist, wobei es allerdings gro e Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt, wodurch die Bemühungen um eine strenge Finanz- und Haushaltspolitik erschwert werden,
H.in der Erwägung, da das EWI bislang einen bedeutenden Beitrag zur Vorbereitung der dritten Stufe der WWU geleistet hat, da aber noch viel zu tun bleibt, um die Durchführung einer gemeinsamen Währungs- und Finanzpolitik zu ermöglichen,
I.in der Erwägung, da insbesondere nach Beginn der dritten Stufe der WWU eine bessere Koordinierung der Haushaltspolitiken der Mitgliedstaaten erforderlich ist,
J.in der Erwägung, da hinsichtlich der Frage der Unabhängigkeit der Zentralbanken nicht in allen Mitgliedstaaten wesentliche Fortschritte erzielt wurden,
K.in der Erwägung, da die vorherige Bekanntgabe der Konvergenzkriterien für die Wechselkurse zu Spekulationen führt und da durch Verzögerungen bei der Durchführung der institutionellen Veränderungen und der Festlegung von Funktionsweise und Struktur des ESZB Unwägbarkeiten entstehen, die die besagten spekulativen Tendenzen noch verstärken werden,
begrü t die Ausführlichkeit des ersten Jahresberichts des EWI;
2.bedauert indessen, da die Festlegung des Sitzes des Europäischen Währungsinstituts und die Benennung seines Präsidenten durch die Langwierigkeit der politischen Beschlu fassung im Europäischen Rat verzögert wurde, und besteht darauf, da die erforderlichen Entscheidungen über die personelle Besetzung des ESZB rechtzeitig vor Beginn der dritten Stufe getroffen werden;
3.fordert die Mitgliedstaaten auf, geeignete Ma nahmen zum Schutz der produktiven Investitionen und des Beschäftigungsstandes zu ergreifen;
4.fordert die Mitgliedstaaten, die noch keine Verbesserung ihrer Haushaltslage erzielt haben, auf, ihre Bemühungen um die Beseitigung der strukturellen Ursachen von Haushaltsungleichgewichten zu verstärken, und erwartet, da sie ihre Bemühungen auf eine Zinssenkung und folglich eine Senkung der Ausgaben der öffentlichen Hand sowie auf eine generelle Sparpolitik ausrichten werden anstatt auf eine weitere Kostensteigerung; ist der Auffassung, da eine konsequente und stabile Haushaltspolitik verfolgt werden mu , die sich an langfristigen Tendenzen orientiert und den strukturellen Charakter der Haushaltsdefizite nicht noch verstärkt;
5.fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zur Stärkung eines wirklichen wirtschaftlichen Zusammenhalts auszudehnen, indem sie - unter Berücksichtigung der steuerzahlenden Bürger - konsequent die erforderlichen Ma nahmen ergreifen, und zwar einschlie lich der Inanspruchnahme der Strukturfonds;
6.fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Anstrengungen gezielt auf die Wiederaufnahme einer echten Politik der Gemeinschaft zugunsten der Beschäftigung zu richten, die unverzichtbar für die Verwirklichung einer effektiven Wirtschafts- und Währungsunion und für die Sicherstellung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts ist;
7.ist überzeugt, da die geldpolitischen Ma nahmen durch verstärkte Koordination der Wirtschaftspolitik zwischen den Mitgliedstaaten abgestützt werden und einen klaren Bezug zu Artikel 2 des EG-Vertrages aufweisen müssen, der es allen europäischen Institutionen zur Aufgabe macht, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Ma an sozialem Schutz zu gewährleisten, die Lebensqualität der Bürger zu heben und den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt wie auch die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern;
8.ist erfreut über die gestraffte und effiziente Organisation des EWI und über die Arbeit, die es bisher geleistet hat; fordert das EWI auf, seine Bemühungen um eine bestmögliche Koordinierung der Währungspolitik während der derzeitigen Stufe der WWU fortzusetzen, und hofft, da es schon bald zu Schlu folgerungen hinsichtlich der Möglichkeiten und Modalitäten für die wirksame Durchführung einer gemeinsamen Währungspolitik durch das ESZB während der dritten Stufe der WWU gelangen wird; ist der Meinung, da es vielleicht sinnvoll wäre, bereits jetzt die Festlegung von Kriterien einer effizienten Durchführung der Geldpolitik zu prüfen, sowie die Definition eines geldpolitischen Ziels (Steigerungsrate der Geldmenge) und anderer Ziele einschlie lich der Faktoren, die einen Bezug zum tatsächlichen Wirtschaftsgeschehen haben, um die Stabilität und die Dauerhaftigkeit der geldpolitischen Leistungen (sustainability) zu gewährleisten;
9.hält es für vereinbar mit dem Subsidiaritätsprinzip, wenn die Europäische Zentralbank gemä Artikel 12 der Satzung des ESZB zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, im Rahmen des Möglichen die nationalen Zentralbanken in Anspruch nimmt;
10.fordert das EWI auf, in Anbetracht der Entwicklungen der vergangenen Monate Empfehlungen darüber auszusprechen, welche währungspolitischen Ma nahmen demnächst am besten zu treffen sind; ist der Auffassung, da in diesem Bereich die Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch mit den Währungsbehörden der wichtigsten Handelspartner der Union verstärkt werden mu ;
11.begrü t die Fortschritte bei der Überwachung des ECU-Verrechnungssystems durch das EWI und fordert weitere Ma nahmen des EWI zur Erleichterung der Verwendung des ECU, insbesondere im Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs;
12.fordert die Kommission und den Rat auf, Vorschläge zu unterbreiten, damit die Regierungen nach dem Eintritt in die dritte Stufe des WWU weiterhin ihre Haushaltspolitiken in Einklang mit den Zielen der Preisstabilität koordinieren;
13.fordert die Mitgliedstaaten, die die erforderlichen institutionellen Anpassungen noch nicht vorgenommen haben, auf, rechtzeitig einschlägige Rechtsvorschriften zu erlassen, damit die Unabhängigkeit aller nationalen Zentralbanken lange genug vor Beginn der dritten Stufe der WWU gewährleistet ist;
14.erwartet, da das EWI die in Artikel 109 j des EG-Vertrags sowie in Artikel 7 der Satzung des EWI vorgesehenen Berichte auch dem Europäischen Parlament übermitteln wird;
15.fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen politischen Ma nahmen und Initiativen zu ergreifen, um baldmöglichst mit den Mitgliedstaaten, die die im Vertrag festgelegten Bedingungen bereits erfüllen, einen transparenten konkreten Zeitplan für den Übergang zur dritten Stufe der WWU zu erstellen; betont jedoch, da sie keinerlei organisatorische oder strukturelle Ma nahmen treffen sollten, die den Beitritt der übrigen Mitgliedstaaten zu einem späteren Zeitpunkt verhindern könnten;
16.fordert das EWI auf, unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Wechselkursbeziehungen zwischen einer einheitlichen europäischen Währung und den Währungen der noch nicht an der dritten Stufe beteiligten Mitgliedstaaten auf die Gestaltung der Wechselkurspolitik des ESZB zum einen und der Notwendigkeit, die Bemühungen um eine volle Beteiligung aller Mitgliedstaaten an der WWU zu unterstützen, zum anderen, Vorschläge für die Errichtung eines Wechselkurs-Systems, möglicherweise nach dem Modell des Europäischen Währungssystems, auszuarbeiten;
17.ist der Auffassung, da die Festlegung eines Wechselkursmechanismus - möglicherweise analog zum Europäischen Währungssystem - zwischen der einheitlichen europäischen Währung und den Währungen der Mitgliedstaaten, die sich an der dritten Stufe der WWU noch nicht beteiligen, die Entschlossenheit der Europäischen Union unterstreichen würde, wobei dieser Mechanismus so funktionieren mü te, da alle übrigen Staaten bei ihren Bemühungen um eine spätere vollständige Teilnahme unterstützt werden;
18.bekräftigt, da es unverzüglich seine Verantwortlichkeiten bezüglich der Ernennung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der übrigen Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank wahrnehmen wird;
19.fordert den Rat auf, die Vorbereitungsarbeiten des EWI für den Eintritt in die dritte Stufe durch rechtzeitige politische Entscheidungen zu unterstützen;
20.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung dem Rat, der Kommission, dem EWI, den Direktoren der Zentralbanken der Mitgliedstaaten und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.