A4-0104/95
Entschlie ung zur Bewertung des Dritten Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Chancengleichheit und zu Vorschlägen für das Vierte Aktionsprogramm der Gemeinschaft
Das Europäische Parlament,
-unter Hinweis auf das Wei buch der Kommission zur europäischen Sozialpolitik - Ein zukunftsweisender Weg für die Union (KOM(94)0333),
-unter Hinweis auf seine Entschlie ung vom 19. Januar 1995 zum Wei buch zur europäischen Sozialpolitik,
-unter Hinweis auf seine Entschlie ung vom 12. Juli 1991 zu dem Dritten Mittelfristigen Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Chancengleichheit für Frauen und Männer,
-gestützt auf Artikel 148 seiner Geschäftsordnung,
-in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau (A4-0104/95),
A.im Bewu tsein der Notwendigkeit, auf dem Erfolg der drei vorangegangenen Aktionsprogramme zur Chancengleichheit für Frauen und Männer aufzubauen und Möglichkeiten zur Überwindung der Schwierigkeiten bei der Erreichung aller Ziele dieser Programme zu suchen,
B.in der Erwägung, da in dem Wei buch der Kommission zur europäischen Sozialpolitik als die drei wichtigsten Ziele der künftigen Bemühungen um Chancengleichheit die Vereinbarkeit von bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Aufspaltung des Arbeitsmarkts und die verstärkte Einbeziehung von Frauen in die Entscheidungsfindung angeführt werden und da diese Ziele neben dem Konzept der Unionsbürgerschaft die Grundlage des Vierten Aktionsprogramms bilden werden,
C.in der Erwägung, da der Begriff der Unionsbürgerschaft im Sinne des Vertrags über die Europäische Union in der Weise weiterentwickelt werden mu , da Frauen nicht nur sich selbst als europäische Staatsbürgerinnen empfinden, sondern auch eine uneingeschränkte Rolle als Staatsbürgerinnen spielen können,
D.in der Erwägung, da in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Steigerung der Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu beobachten war, selbst in Bereichen, die vorher von Männern dominiert waren,
E.in der Erwägung, da die Feminisierung der Armut in der Europäischen Union jedoch weiter besteht, wobei allzu viele Frauen unsichere und schlecht bezahlte Arbeitsplätze haben oder die Opfer der Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit werden,
F.unter Hinweis ferner darauf, da der demographische Wandel zu einer Überalterung in der Europäischen Union führt und da zahlreiche ältere Frauen ebenfalls unter die Armutsgrenze fallen,
G.unter Hinweis auf den Imagewandel der Rolle der Frau in der Gesellschaft, wobei den Möglichkeiten und Fähigkeiten mehr Wert beigemessen wird, die Frauen in die Gesellschaft einbringen und die eine Steigerung der Lebensqualität bewirken,
H.unter Hinweis auf die positive Rolle, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bei der Förderung der Chancengleichheit gemä Artikel 119 des EG-Vertrags gespielt hat,
I.unter Hinweis darauf, da wenig Fortschritte erzielt worden sind im Hinblick auf die Richtlinienvorschläge zu atypischer Arbeit, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zur Umkehr der Beweislast und da bisher keine Revision der Richtlinie über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in selbständigen Berufen vorgeschlagen worden ist, wodurch sich die Lage der Frau auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft allgemein wesentlich hätte verbessern lassen,
J.in der Erwägung, da die Aktionsprogramme zur Chancengleichheit ein wichtiges Instrument der Zukunftsplanung für die nächsten fünf Jahre in den Mitgliedstaaten darstellen,
K.in der Erwägung, da das mit dem Dritten Aktionsprogramm eingeführte Konzept der Partnerschaft zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und Sozialpartnern sich nicht immer als wirkungsvoll erwiesen hat,
L.in der Erwägung, da insbesondere die Informationskampagne der Kommission im Rahmen des Dritten Aktionsprogramms für die auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene durchgeführten spezifischen Ma nahmen nicht immer unmittelbar relevant gewesen ist,
1.betont die Bedeutung eines verbindlichen Verfahrens für die Ausführung des Programms und der Bereitstellung angemessener Mittel für alle in dem Programm vorgeschlagenen Ma nahmen;
2.bedauert das Fehlen von Erfolgskriterien im Dritten Aktionsprogramm und fordert die Einbeziehung eindeutiger Kriterien zur Bewertung des Erfolgs des Programms in das Vierte Programm;
3.ist der Überzeugung, da das mit dem Dritten Aktionsprogramm eingeführte Konzept des "mainstreaming" (Einbeziehung der Chancengleichheit in die Ziele der Strukturfonds) oder Politik der verschiedenen Aspekte beibehalten und durch eine Berichterstattung über die Emanzipationswirkung kontrolliert werden mu und die politische und haushaltsmä ige Beteiligung der zuständigen Kommissionsmitglieder einschlie en mu ;
4.fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, da die Vereinbarungen des Gipfels von Korfu in der Weise eingehalten werden, da die geschlechtsspezifischen Aspekte in den Strukturfonds und im Entwicklungsfonds berücksichtigt werden und sie eine Rechtsgrundlage erhalten;
5.begrü t den von der Kommission bereits vorgetragenen Gedanken eines Jahresberichts über die Chancengleichheit für Frauen und Männer;
6.begrü t die Absicht der Kommission zur Einführung eines Kontrollsystems über die Verwirklichung der Chancengleichheit in allen Bereichen der EU-Politik;
7.vertritt die Auffassung, da es zum Zwecke einer guten Überwachung der Verwirklichung der Chancengleichheit in allen politischen Bereichen der EU erforderlich ist, da diesbezüglich Untersuchungen angestellt werden durch ein Verbindungsorgan der "Frauenstudien" auf Hochschulebene;
8.ist der Auffassung, da sich das Vierte Aktionsprogramm detaillierter auf weniger Bereiche konzentrieren sollte und da die 13 Themenbereiche des Dritten Aktionsprogramms nur dazu führen, da die Mittel mit zu geringer Wirkung über einen zu weit gefächerten Bereich verteilt werden;
9.ist der Auffassung, da das Konzept der Partnerschaft zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und Sozialpartnern weiterentwickelt werden mu , um praktische Bedeutung zu gewinnen;
10.ist der Überzeugung, da die Kommission zwar eine strategische Aufgabe bei der Definition der generellen Grundsätze auf europäischer Ebene erfüllen kann, da jedoch die Regierungen und Organisationen der Mitgliedstaaten besser geeignet sind, die Kernbereiche und Prioritäten für bestimmte praktische Projekte vor Ort festzulegen;
11.fordert, da mehr Mittel auf die praktischen Einzelheiten der Durchführung der Programme in den Mitgliedstaaten verwandt werden und da Informationsverbreitung und Sensibilisierungskampagnen stärker auf die Bedürfnisse spezifischer nationaler Programme ausgerichtet und systematisiert werden, um eine bessere Kenntnis und ein besseres Verständnis vom - selbst alten - gemeinschaftlichen Besitzstand zu erlangen;
12.fordert eine sorgfältige Analyse des Konzepts und der Durchführung der 1994 im Rahmen des Dritten Aktionsprogramms eingeführten nationalen Programme und fordert die Kommission auf, dem Europäischen Parlament ihren Bericht zu unterbreiten;
13.fordert die Kommission auf, darauf hinzuwirken, da eine Informationspflicht der Mitgliedstaaten ihr gegenüber im Bereich der Chancengleichheit eingeführt wird, und die Unternehmen der Union dazu anzuhalten, eine nach Geschlecht aufgeschlüsselte Mitteilung über ihre Gepflogenheiten bei der Zahlung von Löhnen und Gehältern zu veröffentlichen;
14.betont die Notwendigkeit der korrekten Einhaltung bereits geltender Rechtsvorschriften für Chancengleichheit nach dem Buchstaben und Geist der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie die Notwendigkeit von Sanktionen der Kommission gegen Mitgliedstaaten, die diese nicht einhalten;
15.betont die Wichtigkeit einer Änderung der Haltungen gegenüber Frauen und vertritt die Ansicht, da eine aktive Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen der Beschlu fassung, in Parteien, Gewerkschaften und berufsständischen Organisationen eine der wirksamsten Arten sein könnte, dies zu erreichen, da aber das Bildungssystem, das oft eine entscheidende Rolle bei der Ausprägung voreingenommener Haltungen spielt, ebenso von Bedeutung ist; Informationskampagnen und Seminare sind ebenso von grundsätzlicher Bedeutung bei der Weckung des Bewu tseins der Öffentlichkeit, wie die Chancengleichheit gefördert werden kann;
16.ist der Auffassung, da der Begriff der "uneingeschränkten Staatsbürgerschaft", wie er auf den UN-Konferenzen von Kairo und Wien diskutiert wurde, nur dann für die EU und das Vierte Aktionsprogramm nützlich ist, wenn er die in der Europäischen Union ansässigen Bürger aus Drittländern einschlie t, und da er darüber hinaus die wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Rechte und Tätigkeiten einbeziehen mu , und ist der Auffassung, da dadurch der Weg zur Verwirklichung der Chancengleichheit gemä Artikel 235 sowie Artikel 119 EGV geöffnet werden könnte;
17.äu ert die Überzeugung, da eine angemessene Verteilung öffentlicher und privater Verantwortlichkeiten eine notwendige Vorbedingung für die Verwirklichung der uneingeschränkten Staatsbürgerschaft für Frauen und Männer ist;
18.fordert die Kommission auf, innovative Gedanken über die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zu entwickeln und diese Vorstellungen in Form von Ma nahmen im Rahmen des Vierten Aktionsprogramms einzubringen;
19.fordert die Kommission auf, Ma nahmen und Aktionen zu fördern, die darauf abzielen, die Sozialpartner, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberorganisationen anzuregen, positive Ma nahmen in ihren Organisationen und in den Unternehmen des öffentlichen und privaten Sektors zu fördern, um den Zugang weiblicher Bewerber zu freien Stellen zu gewährleisten, wo die Frauen unterrepräsentiert sind;
20.betont die Notwendigkeit einer vorrangigen Berücksichtigung im Vierten Aktionsprogramm von Ma nahmen und Aktionen, die den Bedürfnissen von Risikogruppen, wie beispielsweise Einelternfamilien, und von Frauen, die einer doppelten Belastung ausgesetzt sind, wie beispielsweise ältere Frauen, Flüchtlinge und Wanderarbeitnehmerinnen und ihre Kinder, gerecht werden;
21.fordert alle europäischen Institutionen auf, positive diesbezügliche Ma nahmen im Hinblick auf ihr eigenes Personal einzuführen und vorzustellen;
22.schlägt eine Sonderschulung der Arbeitsinspektoren in Fragen der Gleichstellung vor;
23.vertritt die Auffassung, da die Verantwortung für die Ausführung des Vierten Aktionsprogramms bei der Arbeitsgruppe liegen mu , die von der Kommission ins Leben gerufen wurde, um die Chancengleichheit von Männern und Frauen zu fördern, und ersucht darum, da der Präsident der Europäischen Kommission das Vierte Aktionsprogramm öffentlich vorstellt, um auf diese Weise den umfassenden Charakter dieses Programms hervorzuheben;
24.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.