B4-0951, 0957 und 0960/95
Entschlie ung zum Europäischen Rat von Cannes
Das Europäische Parlament,
-in Kenntnis der Schlu folgerungen des Europäischen Rates vom 26./27. Juni 1995,
A.unter Hinweis darauf, da der Europäische Rat zwar ermutigende Ansätze für eine Änderung seiner Haltung zu Fragen der Beschäftigung weg von einer rein monetaristischen Haltung zu einem die sozialen und ökologischen Dimensionen anerkennenden Ansatz gezeigt hat, es jedoch eindeutig unterlassen hat, der Arbeit der Union den nötigen Impuls zu geben und dabei nur ein Medienereignis herauskam anstelle eines Organs, das der Arbeit der Union den nötigen Stimulus geben könnte,
Vorbereitung der Regierungskonferenz 1996
1.begrü t die Tatsache, da der Europäische Rat in seinen Empfehlungen an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz ausdrücklich bestimmten vom Europäischen Parlament verfochtenen Prioritäten zugestimmt hat, ist jedoch der Ansicht, da in diesem Zusammenhang präzisere und konstruktivere Leitlinien erforderlich gewesen wären;
Wirtschaftliche Lage und Beschäftigung
2.begrü t, da dieser Frage bei den Beratungen des Europäischen Rats höhere Priorität eingeräumt wurde;
3.stellt fest, da das Wachstum in den allgemeinen wirtschaftlichen Leitlinien des Europäischen Rates optimistischer eingeschätzt wird als von der OECD und auf Annahmen über das globale Wachstum basiert, die über die des IWF weit hinausgehen; befürchtet daher, da die Gefahr eines Wiederauflebens inflationärer Erscheinungen in den Leitlinien überbewertet wird, während das Risiko eines unzureichenden Wiederaufschwungs nicht zur Sprache kommt;
4.ist ferner besorgt darüber, da der in den Leitlinien empfohlene rasche Abbau der Defizite die wirtschaftliche Gesundung gefährden könnte, wenn er nicht von einer Zunahme bei den Investitionen flankiert wird, und da die Gefahr besteht, da das Wachstum in den nächsten Jahren nicht ausreicht, die durch die letzte Rezession geschaffene Arbeitslosigkeit zu beseitigen;
5.bedauert, da der Europäische Rat zwar die 14 transeuropäischen Netze bestätigt hat, da es ihm jedoch erneut nicht gelungen ist, eine Lösung für die Finanzierung dieser Netze zu finden, die einen wichtigen Pfeiler des Delors-Wei buchs darstellen und in Essen beschlossen wurden; ist der Ansicht, da diese Unterlassung zu einer weiteren unannehmbaren Verzögerung führen könnte;
6.äu ert die Besorgnis, da alle Ma nahmen, die die Beschäftigung und insbesondere die Rolle der KMU und örtlicher Beschäftigungsinitiativen sowie die Probleme im Zusammenhang mit der WWU betreffen, von dem strategischen Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zwischen den Regionen der Union losgelöst erscheinen;
7.vermerkt mit Genugtuung, da die Staats- und Regierungschefs ihre feierliche Verpflichtung bekräftigt haben, spätestens zum 1. Januar 1999 unter strikter Einhaltung der diesbezüglichen Bestimmungen des Vertrags die Währungsunion zu verwirklichen; stellt jedoch fest, da die Union keine Einigung über die mehr ins Einzelne gehenden Aspekte der Währungsunion erzielen konnte, nämlich die technischen und praktischen Einzelheiten des Übergangs zu der künftigen gemeinsamen Währung;
8.bedauert die Tatsache, da der Europäische Rat dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister ein Mandat zur Festlegung eines Referenzszenarios für den Übergang zur einheitlichen Währung erteilt hat, da dadurch, wenn auch die Konsultation mit dem EWI und der Kommission verlangt wird, das Initiativrecht der Kommission in diesem Bereich unterminiert wird;
9.fordert eine Einbeziehung von Kosten-Nutzen-Analysen in die TEN-Projekte und unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung von Umwelterwägungen bei der Verwirklichung von transeuropäischen Netzen;
10.stellt mit Zufriedenheit fest, da allgemeine Aufgaben berücksichtigt wurden, ist jedoch der Ansicht, da dies nur ein erster Schritt hin zur Anerkennung der Aufgaben öffentlicher Dienstleistungen sein kann;
Innere Angelegenheiten
11.hält es für verwerflich, da noch immer keine endgültige Vereinbarung über wichtige Übereinkommen betreffend Sicherheit und Grundfreiheiten der Bürger in der Union getroffen wurde, insbesondere im Hinblick auf das Europol-Übereinkommen und das Übereinkommen über das Überschreiten von Au engrenzen der Mitgliedstaaten, und da das Dubliner Übereinkommen immer noch nicht ratifiziert ist;
12.fordert die nationalen Parlamente auf, die Ratifizierung des Europolübereinkommens unverzüglich einzuleiten, beschleunigt zu betreiben und abzuschlie en, sobald eine den rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Regelung der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs gefunden wurde, und bedauert, da andere Punkte, bei denen zu wenig demokratische Garantien bestehen, nicht geregelt wurden, und zwar die parlamentarischen Kontrollen und die Rolle des Europäischen Parlaments, das Fehlen bindender Vereinbarungen über den Datenschutz, der Schutz der Bürger im Falle von Irrtümern, die Möglichkeit des Zugangs und des Rechtsweges, das Kontrollgremium, der Rechtschutz und die Zusammenarbeit mit Drittländern;
13.fordert den Ratsvorsitz unter Hinweis auf Artikel K.6 EUV auf,
-das Europäische Parlament unverzüglich vollständig über das Europolübereinkommen zu unterrichten,
-unverzüglich die notwendige Anhörung einzuleiten sowie dem Europäischen Parlament eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen,
-für die gebührende Berücksichtigung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments Sorge zu tragen;
14.fordert die Kommission auf, angesichts der allgemeinen Schwäche des dritten Pfeilers die Struktur ihrer zuständigen Dienststelle zu verbessern, wie es der Rat getan hat, um für Initiativen in diesem Bereich besser gerüstet zu sein;
15.vertritt die Auffassung, da nicht nur aufgrund der Probleme im Zusammenhang mit Europol, sondern auch aufgrund der Vertagung der vollständigen Anwendung der Schengener Abkommen dringend eine Überprüfung des zwischenstaatlichen Lösungsansatzes erforderlich ist, den die Mitgliedstaaten für den Einigungsproze im Bereich der inneren Angelegenheiten gewählt haben;
16.bedauert die Unklarheit der Schlu folgerungen zum Aktionsplan der Europäischen Union zur Drogenbekämpfung (1995 - 1999) und zu den Leitlinien zur Drogenabhängigkeit; befürchtet, da der Beschlu , anstelle der Kommission eine Gruppe nationaler Sachverständiger zu beauftragen, auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates einen Bericht und Vorschläge zu diesem Thema vorzulegen, sich als ein neuerlicher Beweis für die unzulängliche Handhabung der Drogenpolitik im Rahmen des EU-Vertrags erweisen wird; fordert erneut, da die Regierungskonferenz von 1996 ein Lösungskonzept erarbeitet, das zielgerichtete und entschlossenere Aktionen zur Bekämpfung des eskalierenden Drogenproblems umfa t; ist überzeugt, da dies nur möglich ist, wenn die europäische Drogenpolitik in den Aktionsbereich der Union einbezogen wird;
17.äu ert seine gro e Enttäuschung angesichts des Fehlens von Beschlüssen im Bereich der Bekämpfung von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit trotz der auf Korfu eingegangenen und in Essen bekräftigten Verpflichtungen; fordert den Rat auf, insbesondere die Vorschläge des Beratenden Ausschusses gegen Rassismus aufzugreifen und durchzuführen, die sich mit der Ausarbeitung und Harmonisierung von Anti-Diskriminierungsvorschriften für die Mitgliedstaaten befassen;
18.stellt fest, da der Rat es während der französischen Präsidentschaft versäumt hat, signifikante Initiativen im Hinblick auf die Betrugsbekämpfung zu ergreifen; bedauert, da der Rat es abgelehnt hat, die Erklärungen der Regierungen der Mitgliedstaaten über eigene Ma nahmen gegen Betrügereien zu veröffentlichen, und weist auf das Scheitern dieser Regierungen hin, ernsthaft auf die Initiative des Präsidenten des Europäischen Parlaments zu reagieren, der die Regierungschefs schriftlich ersucht hat, diese Informationen dem Parlament zu übermitteln; stellt ferner fest, da bei der Verabschiedung der Verordnung betreffend "schwarze Listen" im Zusammenhang mit EAGFL-Betrügereien Rat und Kommission in eklatanter Weise die Auffassung des Parlaments ignoriert haben;
Au enbeziehungen
19.stimmt den Schlu folgerungen des Europäischen Rates bezüglich der Mittelmeerpolitik zu und äu ert seine Genugtuung über die Erklärungen zum Friedensproze im Nahen Osten; erwartet, da die Union sich aktiv am Zustandekommen der Vereinbarungen beteiligt; stellt au erdem fest, da eine Einigung über die Finanzierung der finanziellen Zusammenarbeit mit den Ländern in Mittel- und Osteuropa und mit den Mittelmeerländern erreicht wurde; ist der Ansicht, da bei der Entwicklung dieser Beziehungen die Erwartungen der Menschen in diesen Ländern stärker berücksichtigt werden müssen und da diese Entwicklung von einer Analyse der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und regionalen Auswirkungen begleitet sein mu , insbesondere im Hinblick darauf, Konkurrenz zwischen den verschiedenen Volkswirtschaften zu vermeiden;
20.stellt fest, da die Schlu folgerungen des Europäischen Rates bezüglich der Finanzierung der Au enbeziehungen für den Haushalt der Europäischen Union nicht verbindlich sind, und bestätigt, da für derartige Verpflichtungen eine Revision der finanziellen Vorausschau erforderlich ist; bedauert den Vorschlag des Europäischen Rates, 160 Millionen ECU aus dem Haushaltsplan der Union zur Unterstützung des EEF bereitzustellen, und bekräftigt noch einmal, da dies für die Haushaltsbehörde nicht verbindlich ist; stellt fest, da der Betrag von 13,3 Milliarden ECU für den 8. EEF von der Mehrheit der Mitgliedstaaten als Minimum betrachtet wird und nicht die neuen Mitgliedstaaten oder die ständig wachsenden Bedürfnisse der AKP-Länder berücksichtigt; wiederholt seine Forderung nach Einbeziehung des EEF in den Gemeinschaftshaushalt und nach Unterstellung unter die Haushaltskontrolle;
21.vertritt weiterhin die Ansicht, da die EU jenseits der wirtschaftlichen und institutionellen Belange als Sicherheitsgemeinschaft ihrer Völker gefordert ist, in der derzeitigen gefahrvollen Weltlage Solidarität gegenüber den demokratischen Ländern, die eine Mitgliedschaft in der EU anstreben, zu zeigen, wobei es sich nicht nur um eine politische, sondern auch um eine moralische Verpflichtung handelt;
22.nimmt die Erklärung des Rates über "die Annäherung zwischen der Europäischen Union und der Türkei" zur Kenntnis, weist aber darauf hin, da eine Zollunion mit der Türkei seiner Ansicht nach nur möglich ist, wenn die Türkei zunächst beträchtliche Fortschritte in der Frage der Menschenrechte macht; appelliert nochmals an die türkische Regierung und die Gro e Türkische Nationalversammlung, die Reform der Verfassung des Landes fortzuführen, um Demokratie und Menschenrechte in der Türkei besser zu schützen, sich in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu verhalten und zu einer Lösung des Zypern-Problems beizutragen;
23.begrü t die fortgesetzten Bemühungen sämtlicher Organe der Europäischen Union um Weiterführung der Vorbereitungen des Beitritts der assoziierten Länder zur Europäischen Union; hofft, da die Bedingungen für eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Slowenien möglichst bald erfüllt sind; fordert Kommission und Rat auf, es so eng wie möglich in die Vorbereitungsstrategie der Beitritte sowie in den strukturierten Dialog zwischen der Europäischen Union und den assoziierten Ländern einzubeziehen;
24.begrü t die Tatsache, da ein ernsthafter Versuch unternommen wurde, eine friedliche Beilegung des Konflikts in Tschetschenien zu erreichen; bedauert, da Verhandlungen erst nach und aufgrund der tragischen Ereignisse von Budjonnowsk möglich waren, und stellt fest, da die demokratischen Kräfte in Ru land schon lange vorher Vorschläge für eine Beilegung gemacht hatten; ist gleichwohl der Auffassung, da jetzt das Ratifizierungsverfahren für das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation eingeleitet werden sollte;
25.fordert den Rat auf, den globalen Aktionsplan sehr rasch umzusetzen, den er in Carcassone bei den Beratungen der Au enminister festgelegt hat und der vorsieht, der Regierung von Burundi bei der Durchführung einer nationalen Debatte zu helfen, die Entsendung neuer Sachverständiger auf dem Gebiet der Menschenrechte im Rahmen der Tätigkeiten des UN-Hochkommissars für Menschenrechte zu unterstützen, die Erhöhung der Zahl der OAU-Beobachter zu unterstützen und zur Wiederherstellung rechtstaatlicher Instrumente beizutragen, insbesondere durch seine Unterstützung für die Ausbildung von Richtern; unterstützt die Organisation einer regionalen Konferenz, auf der die wichtigsten Staatschefs der Region vertreten sind, um die ethnischen und politischen Spannungen abzubauen;
Atomtests
26.bedauert die Entscheidung des französischen Präsidenten, die Atombombentests auf Mururoa wieder aufzunehmen, eine Entscheidung, die den künftigen Vertrag für einen globalen Atomversuchsstopp gefährdet und eine unmittelbare Bedrohung für die Umwelt im Pazifik darstellt; protestiert dagegen, da zum zweiten Mal innerhalb von zehn Jahren ein Greenpeace-Schiff angegriffen wurde, und empfiehlt ausdrücklich, da der gesamte Vertrag für ein Verbot von Atomversuchen spätestens bis 1996 unterzeichnet wird;
27.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung der Kommission, dem Rat, und den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.