A4-0207/95
Entschlie ung zu den derivativen Finanzinstrumenten: ihre derzeitige Rolle auf den Kapitalmärkten, ihre Vorteile und Risiken
Das Europäische Parlament,
-unter Hinweis auf Artikel 148 der Geschäftsordnung,
-unter Hinweis auf die Beratungen des öffentlichen Hearings, das von seinem Unterausschu Währung am 21. März 1995 zu diesem Thema veranstaltet wurde,
-unter Hinweis auf die derzeitige Gesetzgebungsarbeit in den USA, in Japan und in der EU sowie auf die Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht,
-unter Hinweis auf seine Entschlie ung vom 15. Dezember 1993 zur internationalen währungspolitischen Zusammenarbeit im Rahmen der Lockerung der Beschränkungen auf den Kapitalmärkten und insbesondere seine Vorschläge und Empfehlungen betreffend derivative Finanzinstrumente,
-unter Hinweis auf die Antwort der Kommission in Form einer Mitteilung über Derivate, Kapitalbewegungen und die Debatte über die Finanzordnung (SEK(95)0587),
-in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik (A4-0207/95),
A.im Bewu tsein der raschen - und seit 1989 rascheren Expansion der derivativen Finanzmärkte in den letzten beiden Jahrzehnten infolge der Notwendigkeit, da sich die Institutionen gegen finanzielle Risiken nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods Systems der Wechselkursfestlegung schützen,
B.in dem Bewu tsein, da der Anteil der europäischen Geschäftswelt am relevanten globalen Markt erheblich zugenommen hat,
C.unter Hinweis auf den Innovationsgeist bei der Entwicklung der derivativen Finanzinstrumente und der daraus resultierenden Vielfalt und in manchen Fällen Komplexität dieser Instrumente, welche das Verständnis für die damit verbundenen Risiken für den normalen Verwender problematisch machen können,
D.unter Berücksichtigung der parallelen Entwicklung eines devisenorientierten und eines au erbörslichen (OTC) Marktes, wobei jeder für unterschiedliche Kundenbedürfnisse sorgt und seine eigenen operationellen und Überwachungsprobleme aufweist,
E.in der Überzeugung, da derivative Finanzinstrumente, wenn sie als Werkzeuge des Risikomanagements verwendet werden, reale Vorteile in Form (a) einer effizienteren Zuwendung der Mittel und (b) einer Risikoteilung gebracht haben, indem sie die Kosten der Risikovermittlung durch das Aufschnüren von früher unteilbaren Risiken senkten,
F.jedoch unter Hinweis auf die in seiner obengenannten Entschlie ung vom 15. Dezember 1993 zum Ausdruck gebrachte Besorgnis über erhöhte Risiken, welche die finanzielle Pyramide infolge der raschen Ausweitung der derivativen Finanzmärkte bedrohen, sowie auf die Anliegen, wie sie in anderen weltweiten parlamentarischen Gremien in der ganzen Welt und insbesondere im amerikanischen Kongre geäu ert wurden,
G.in der Erwägung, da der Schutz der Kleinsparer, die den Banken und Finanzgesellschaften die Verwaltung ihrer Anlagen anvertrauen, von den Gemeinschaftsbehörden und den Behörden der Mitgliedstaaten in höchstem Ma e berücksichtigt werden mu ,
H.des weiteren besorgt über die zunehmende Verselbständigung der derivativen Finanzinstrumente zu reinen Spekulationszwecken,
I.in der Erwägung, da es in einigen Mitgliedsländern Unklarheiten in der Frage gibt, ob staatliche Einrichtungen, "Baugesellschaften" u.a. berechtigt sind, finanzielle Transaktionen mit derivativen Finanzinstrumenten vorzunehmen und da der rechtliche Status der (Markt-)Akteure von Land zu Land unterschiedlich ist,
J.unter Hinweis darauf, da derivative Finanzinstrumente vor allem von Händlern und Investoren auch verwendet werden, um ungesicherte und starke Eigentumspositionen in Erwartung günstiger Preisbewegungen zu übernehmen; da besondere Risiken mit dieser Art von Tätigkeit verbunden sind; da sehr gro e Verluste möglich und bei diesem Handel auch tatsächlich eingetreten sind; da bei einigen Vorfällen in jüngster Zeit ethisch zweifelhafte Praktiken enthüllt wurden und für Kunden und Zwischenhändler zu schweren Verlusten geführt haben,
K.in dem Bewu tsein, da es keine absolut sichere Garantie gegen die Möglichkeit solcher Verluste mit einer explosionsartigen Kettenreaktion von Bankrotten gegebenenfalls in der Dimension eines grö eren systemimmanenten Risikos geben kann, jedoch in dem Bestreben, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses auf ein Minimum zu bringen und öffentliche Mittel zu schützen, die sonst bei einer Rettungsaktion eingesetzt werden mü ten,
L.unter Hinweis deshalb auf die Notwendigkeit, da die auf diesem Markt tätigen Firmen und Organisationen ein noch höheres Ma an Verantwortung und interner Kontrolle zeigen, in erster Linie indem dafür gesorgt wird, da alle beteiligten Führungskräfte und das beteiligte Personal vollständig über die Instrumente, mit denen sie handeln, unterrichtet sind,
M.in Würdigung der Initiative und ständigen Bemühungen einer Reihe von Firmen und Berufsverbänden in Europa wie auch in den Vereinigten Staaten, ein Risikomanagementsystem zu formulieren und freiwillige Regeln der professionellen Verantwortung in den Bereichen interne Kontrolle sowie sichere und angemessene Führung des Derivatengeschäfts für Manager, Händler und Nutzer festzulegen,
N.in dem Bestreben, da die am besten geeigneten Methoden im Geiste der vorgenannten Absätze bei den Fachleuten möglichst weite Verbreitung und Anwendung finden, und in dem Bewu tsein der erheblichen Diskrepanzen bei den verschiedenen Überwachungs- und Regulierungssystemen in der ganzen Welt,
O.in der Abneigung, das Derivatengeschäft mit diskriminierenden, unnötigen, übertriebenen oder schlecht konzipierten Regelungen zu belasten; in dem Wunsch, da der Neuheit und Vielseitigkeit der derivativen Finanzinstrumente der grö tmögliche Umfang im Einklang mit der Sicherheit der Transaktionen und der Stabilität der Finanzmärkte gegeben wird; unter Bekräftigung seiner Unterstützung der Fortsetzung und Stärkung der Zusammenarbeit, wie sie in diesem Bereich zwischen Berufskörperschaften und staatlichen Stellen bereits entstanden ist,
P.in dem Bestreben, ein Milieu zu fördern, das durch fairen Wettbewerb, Nichtdiskriminierung und gleichen Zugang gekennzeichnet ist, um die wichtigen Vorteile zu nutzen, die mit der richtigen Verwendung der Derivate durch ein ständiges, reibungsloses und sicheres Funktionieren der Märkte verbunden sind, was wiederum die Harmonisierung der Buchführungs-, Offenlegungs- und Überwachungsvorschriften auf europäischer und später weltweiter Ebene voraussetzt, dergestalt, da dem Proze der finanziellen Neuerung und ihren Ergebnissen angemessen Rechnung getragen wird,
Q.in dem Bestreben, der Öffentlichkeit in Europa die Zusicherung zu geben, da alle Befürchtungen im Zusammenhang mit der Sicherheit und Stabilität der im Innovationsproze befindlichen Finanzmärkte auf höchstmöglicher Ebene mit aller gebührenden Sorgfalt behandelt werden, und in dem dringenden Appell an alle Verantwortlichen in allen wichtigen Bereichen, vor allem in den Vereinigten Staaten und in Japan, da eine weltweite Koordinierung notwendig ist, um die Früchte der finanziellen Innovation unter den Bedingungen einer ausgewogenen Expansion zu ernten; unter Hinweis auf seine Forderung an den Baseler Ausschu für Bankenaufsicht auf, seine laufenden Arbeiten in diesem Bereich zu beschleunigen und zu intensivieren,
R.in der Bekräftigung der folgenden Überwachungs- und Regulierungsziele:
a)Aufrechterhaltung der Stabilität des Finanzsystems,
b)Steigerung der Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Bankwesens und der Finanzmärkte der Europäischen Union,
c)Schutz der Verbraucher vor Betrug und täuschenden Geschäftspraktiken,
d)möglichst weitreichender Schutz öffentlicher Mittel vor den Verlustrisiken durch schlechte Geschäftsführung,
S.in dem Bewu tsein, da die genannten Ziele im Bereich der Derivate nicht erreicht werden, wenn das jetzige nationale und gemeinschaftliche Regulierungs- und Überwachungssytem für die Finanzmärkte nicht wesentlich verbessert wird, weil
a)die derivativen Finanzinstrumente aufgrund ihrer Vielseitigkeit, ständigen Innovation und globalen Verwendung das Risikomanagement und das systemimmanente Risiko erhöht haben,
b)die derivaten Finanzinstrumente zu einer Entwickung beigetragen haben, welche die Unterscheidung zwischen Banken, Finanzzwischenhändlern und spezialisierten Finanzgesellschaften verwischt,
c)das jetzige Gesetzgebungsverfahren unerträglich schwerfällig ist angesichts des Entwickungstempos im Finanzsektor unter der Wucht der weltweiten finanziellen Innovation, bei der die Derivate eine zentrale Rolle spielen,
1.ersucht die Kommission, in ihrem Arbeitsprogramm für 1996 Vorschläge vorzulegen, die folgende Ergebnisse erzielen sollen:
a)die Vorschläge zu kodifizieren, die bisher von den verschiedenen Berufsorganisationen betreffend freiwillige Verhaltensma regeln für Manager, Händler und Nutzer auf Märkten für derivative Finanzinstrumente vorgelegt wurden; diese Vorschriften, falls notwendig, zu ergänzen und in Verhaltenskodizes umzuformen,
b)die Buchhaltungs- und Offenlegungsstandards in den beglaubigten Abschlüssen der Gesellschaften den besonderen Merkmalen der Eventualverbindlichkeiten und -forderungen, und insbesondere der derivativen Finanzinstrumente, bei grö tmöglicher Verwendung von Mark-to-market-Methoden anzupassen, um die Mitgliedstaaten zu veranlassen, ihre Rechtsvorschriften zu verdeutlichen und zu aktualisieren und auf dieser Basis die Buchhaltungsstandards im ganzen Bereich des Binnenmarktes zu harmonisieren,
c)das Bildungsniveau bei Managern und Händlern, die mit derivativen Finanzinstrumenten in finanziellen Zwischenhandels- und Endverwendergesellschaften handeln, anzuheben, indem eine vereinheitlichte Berufsprüfung auf europäischer Ebene eingeführt wird, und, solange die Vorbereitung dieser Prüfung nicht zufriedenstellend abgeschlossen ist, in alle jetzigen relevanten Berufsprüfungen Material über Derivate aufzunehmen,
d)die Rechtswirksamkeit vernetzender Vereinbarungen über derivative Finanzkontrakte zu verstärken und die Nutzung anderer Krediterhöhungstechniken, sofern notwendig, zu fördern, einschlie lich Initiativen der Wirtschaft, um geeignete Verrechnungsstellen einzurichten,
e)Schritte zu unternehmen, so da die Ma nahmen nach a), b), und d) nicht nur Banken, sondern alle Arten von mit Derivaten handelnden Finanz- oder Nichtfinanzgesellschaften, sei es als Zwischenhändler oder als Endnutzer, voll erfassen, wobei ihre Grö e und Spezialisierung zu berücksichtigen ist;
bei den genannten Buchstaben a), b), d) und e) ist die Unterscheidung zwischen devisenorientierten und au erbörslichen (OTC) derivativen Instrumenten zu beachten und sind die relevanten Vorschriften entsprechend anzupassen;
2.fordert die Kommission auf, die Möglichkeit eines Mechanismus zu prüfen, durch den sich der jeweilige Risikograd der verschiedenen Arten von Finanzderivativen bewerten und öffentlich einstufen lä t;
3.ist besorgt über die Konzentration der Finanzderivategeschäfte auf wenige Anbieter und fordert die Kommission auf, eine Untersuchung über mögliche Auswirkungen dieser Konzentration in der EU durchzuführen;
4.ersucht die Kommission, regelmä ig Berichte über die Entwicklungen auf den derivativen Finanzmärkten auszuarbeiten und dem Europäischen Parlament sowie dem Rat vorzulegen, hierbei alle verfügbaren statistischen Angaben auszuwerten und, falls erforderlich, mit der Sammlung zusätzlicher statistischer Daten zu beginnen und insbesondere die Vierteljahresberichte des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht besonders zu berücksichtigen;
5.fordert die Kommission auf, einen Bericht über mögliche systeminhärente Risiken von Derivativen auszuarbeiten und dem Europäischen Parlament und dem Rat zu übermitteln;
6.beauftragt den Unterausschu Währung seines Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik, unverzüglich Ma nahmen zu treffen, um auf entsprechender Ebene mit dem amerikanischen Kongre und dem japanischen Parlament Kontakt aufzunehmen, um eine gemeinsame, global koordinierte Initiative zur Förderung der genannten Ziele einzuleiten, ausgerichtet auf die Festlegung eines globalen Verhaltenskodex für den Handel und die Nutzung von derivativen Finanzinstrumenten;
7.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung dem Rat, der Kommission, dem Europäischen Währungsinstitut, dem Basler Ausschu für Bankenaufsicht, dem amerikanischen Kongre , dem japanischen Parlament und den nationalen Parlamenten, die gegenwärtig Untersuchungen über derivative Finanzinstrumente durchführen, zu übermitteln.