A4-0238/95
Entschlie ung zum Grünbuch der Europäischen Kommission über die praktischen Fragen des Übergangs zur einheitlichen Währung (KOM(95)0333)
Das Europäische Parlament,
-in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission über die praktischen Fragen des Übergangs zur einheitlichen Währung (KOM(95)0333),
-unter Hinweis auf die öffentlichen Anhörungen, die von seinem Unterausschu Währung zu diesen Fragen am 17./18. Juli 1995 abgehalten wurden,
-unter Hinweis auf seine Entschlie ungen vom 27. Oktober 1993 zum EWS und dem Programm 1992: Lehren für die Verwirklichung der WWU sowie zur Beseitigung der rechtlichen Hindernisse für die Verwendung des ECU, vom 15. Dezember 1993 zur internationalen währungspolitischen Zusammenarbeit im Rahmen der Lockerung der Beschränkungen auf den Kapitalmärkten, vom 6. Mai 1994 zur Auswirkung von Wechselkursschwankungen auf den inner- und au ergemeinschaftlichen Handel, seine Entschlie ung vom 17. Mai 1995 zur Funktionsweise des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf die Verwirklichung und Entwicklung der Regierungskonferenz 1996, vom 19. Mai 1995 zu der Einführung des ECU als gesetzliches Zahlungsmittel (Bericht der Arbeitsgruppe Maas), sowie vom 14. Juni 1995 zu dem ersten Jahresbericht des Europäischen Währungsinstituts (EWI),
-in Kenntnis des Entschlie ungsantrags von Herrn Garriga Polledo zu den endgültigen Kosten der Einführung der einheitlichen Währung (B4-0558/95),
-in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik (A4-0238/95),
A.in Würdigung der Währungsunion als Beitrag zur Vertiefung der Europäischen Union, zur Vollendung des Binnenmarktes, zu Wohlstand und Beschäftigung und damit zu mehr politischer und ökonomischer Sicherheit sowie unter Hinweis darauf, da es ohne Währungsunion zu einem Zerfall des Binnenmarkts und zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen zum Schutz gegen Abwertungen aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit kommen könnte; und in der Befürchtung, da eine verzögerte Verwirklichung der Währungsunion jede neue Erweiterung um die Länder Mittel- und Osteuropas in Frage zu stellen droht,
B.unter Betonung der Tatsache, da die Währungsunion nicht nur auf die Akzeptanz der Märkte, sondern entscheidend auf die Akzeptanz der Bevölkerung angewiesen ist,
C.in der Erwägung, da Artikel 109 l des EG-Vertrages zwar den Beginn der dritten Stufe der Währungsunion sowie die unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse und die rasche Einführung der einheitlichen Währung festlegt, aber der zeitliche, rechtliche und organisatorische Rahmen für den Übergang zur einheitlichen Währung fehlt,
D.unter Berücksichtung der Wirtschafts- und Beschäftigungslage und der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Konvergenzprogramme, die ein Inkrafttreten der Währungsunion vor dem 1. Januar 1999 aus heutiger Sicht fraglich machen,
E.unter Hinweis auf die Notwendigkeit, vertragskonform zu handeln und deswegen 1996 die Konvergenzprüfungen durchzuführen und die Vorbereitungsarbeiten beim Europäischen Währungsinstitut rechtzeitig 1996 abzuschlie en, damit ein früher Beginn der Währungsunion möglich ist, falls eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die Konvergenzkriterien dann erfüllt,
F.unter Hinweis auf die mangelnde Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die reale Wirtschaft und die soziale Lage,
G.in Anerkennung der Notwendigkeit, da der Übergang zur einheitlichen Währung durch einen transparenten, klaren, eindeutigen, umfassenden, glaubwürdigen, effizienten, kostengünstigen und wettbewerbsneutralen Ablaufplan mit verbindlichen Eckwerten und Fristen vorgegeben werden mu ,
H.in Kenntnis der unterschiedlichen Szenarien für den Übergang zur einheitlichen Währung, inbesondere der Konzepte der "kritischen Masse", des "Big Bang", des "Delayed Big Bang", der "Mounting Wave" und des "Demand Driven Scenario", die mit Ausnahme der Konzepte "Big Bang" und "kritische Masse" nicht mit dem Vertrag in Einklang stehen, wobei das Konzept des "Big Bang" technisch nicht umsetzbar ist,
1.begrü t, da durch die Vorlage des Grünbuchs der Kommission die Vorbereitungen der dritten Stufe und ihre Durchführung eine neue Dynamik bekommen haben, und besteht auf einer umfassenden und klaren vertragskonformen Entscheidung bei der Tagung des Europäischen Rates in Madrid 1995 in bezug auf das Zeitraster und die Eckwerte für den Übergang zur dritten Stufe;
2.besteht auf seiner rechtzeitigen und umfassenden Beteiligung am Vorbereitungsproze durch Kommission, Rat und EWI; die Transparenz der Vorbereitung ist mehr denn je erforderlich, um die Akzeptanz von Bevölkerung und Märkten zu fördern; fordert die Kommission au erdem auf, die Notwendigkeit der demokratischen Kontrolle während des Übergangs zur dritten Stufe und seine Rolle in diesem Proze voll zu berücksichtigen, insbesondere im Rahmen der Vertragsbestimmungen wie beispielsweise der über die Ersetzung der dem Vertrag beigefügten Protokolle 5 und 6;
3.weist alle Versuche von Mitgliedstaaten zurück, den im Vertrag über die Europäische Union vorgegebenen Zeitplan zu verändern, und besteht auf seiner Einhaltung; warnt die monetären Autoritäten davor, die bedauerlicherweise verzögerten und unterschätzten technischen, rechtlichen und organisatorischen Fragen des Übergangs zur einheitlichen Währung als Hebel zur Verschiebung der Währungsunion zu nutzen, und fordert diese eindringlich auf, durch eine zügige, entscheidungsfreudige, konstruktive Haltung und äu erst sorgfältige und präzise Vorbereitung zur Währungsruhe beizutragen und die Verwirrungen und Verunsicherungen abzustellen, welche die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit des europäischen Engagements verschlechtern;
4.unterstreicht die Sprengkraft für den Binnenmarkt, die von einer Verschiebung oder dem Infragestellen der Währungsunion ausgehen könnte;
5.fordert Ma nahmen, damit möglichst viele Staaten unter strikter Beachtung der Konvergenzkriterien teilnehmen können, und verlangt daher verstärkte Ma nahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, damit die Währungsunion und ihre Vorbereitung nicht zur Aufspaltung, sondern zur Vertiefung der Integration führt; wünscht au erdem, da diese Ma nahmen zur strikten Erfüllung der Konvergenzkriterien genauso beitragen wie zum beschäftigungswirksamen Wachstum, verstärktem Handel und zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt;
6.fordert ein Übergangsszenario, das klar, eindeutig, effizient, kostengünstig, unumkehrbar und glaubwürdig und so einfach und transparent gestaltet ist, da jeder Bürger und jede Bürgerin begreift, wie die Währungsumstellung erfolgt, und da es sich nicht um eine Währungsreform, sondern um eine wertneutrale Umstellung der Preise, Löhne, Einkommen usw. handelt, so da weder ihre Ersparnisse noch sonstige Einkommen oder Vermögen angetastet werden, und da der Erhalt ihrer Kaufkraft gesichert ist;
7.besteht darauf, da das vorgesehene Szenario weder zu einer Wettbewerbsverzerrung noch zu einer finanziellen Machtkonzentration führt, die im Widerspruch zu den Artikeln 85 und 86 steht;
8.sieht die Notwendigkeit für die Einführung der einheitlichen Währung in drei Phasen (A, B, C), fordert jedoch einen zeitlich gestrafften Übergang,
a)hält es für notwendig, da die Phase A am 1. Januar 1998 beginnt, so da das Europäische System der Zentralbanken spätestens am 1. Januar 1999 effizient operieren kann;
b)besteht darauf, da am 1. Januar 1999 mit der unwiderruflichen Fixierung der Wechselkurse die Währungsunion beginnt, da die einheitliche Währung in Phase B das gesetzliche Zahlungsmittel in der Europäischen Union wird und die nationalen Währungen, die in Umlauf bleiben, nur noch als die unterschiedlichen Ausprägungen der einheitlichen europäischen Währung gelten und insofern ihre Funktion als gesetzliches Zahlungsmittel in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat behalten, bis sie körperlich durch Banknoten und Münzen der einheitlichen Währung ersetzt werden;
c)hält es für notwendig, da vom Beginn der Phase B an Zentralbank- und Interbankoperationen in der einheitlichen Währung durchgeführt werden; unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität sollen alle Finanzinstitute ihre Geschäftstätigkeit in der einheitlichen Währung abwickeln; dafür müssen Zahlungskonversionssysteme seitens der nationalen Zentralbanken für die kleineren und mittleren Banken kostenlos bereitgestellt werden; zur Vermeidung von Fehlern an den Schnittstellen zwischen alter und neuer Währung kommt es darauf an, die Umstellung so zu gestalten, da die Kohärenz des Systems gewährleistet wird; hierfür mu ein eindeutiger, für alle verbindlicher Ablaufplan aufgestellt werden;
d)fordert die Verkürzung der Dauer von Phase B auf maximal zwei Jahre;
e)fordert die Verkürzung der Phase C auf das für den materiellen Umtausch der Zahlungsmittel erforderliche Minimum, also nicht länger als einige Wochen;
f)fordert für bestimmte Zielgruppen und Nutzer von Banknoten sowie vor allem von Münzen Übergangsfristen, die diesen über den in Buchstabe e vorgegebenen Zeitraum hinaus die Nutzung der nationalen Banknoten und Münzen für weitere zwei bis drei Monate bei gleichzeitigem Umtauschrecht ermöglichen;
9.fordert Ma nahmen, um die Gefahr spekulativer Störungen während der einzelnen Phasen des Übergangs zu vermeiden, und sieht in der eindeutigen Erfüllung der Konvergenzkriterien durch möglichst viele Mitgliedstaaten das beste Mittel, die Märkte von der Stabilität und Glaubwürdigkeit sowie dem Nutzen der Währungsunion zu überzeugen; sieht vor allem die Gefahr, da die Phase A und damit die Währungsunion scheitert, wenn vor und während der Phase A unzureichende Stabilisierungsvorkehrungen getroffen werden;
10.fordert rechtzeitig eine Verordnung zur einheitlichen Währung ("Geldgesetz") und die rechtzeitige Verabschiedung aller notwendigen rechtlichen und technischen Ma nahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten und der Union zur Einführung der einheitlichen Währung, so da alle Bedingungen für die Umstellung, z.B. in bezug auf Rundungen der umgestellten Beträge und den rechtlichen Status der langfristigen Anleihen, festgelegt sind und so die notwendige Rechtssicherheit hergestellt wird, und besteht auf den Regelungen vor allem in den folgenden Bereichen:
a)gesetzliche Definition der einheitlichen Währung im Verhältnis zu den nationalen Währungen,
b)Einführung der einheitlichen Währung als der Währung der teilnehmenden Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, so da alle gesetzlichen Hindernisse für ihren Gebrauch im Wirtschaftverkehr aufgehoben werden,
c)Einführung der einheitlichen Währung als Rechnungseinheit, so da alle Guthaben und Verbindlichkeiten in nationaler Währung einen Gegenwert in der einheitlichen Währung finden,
d)Einführung der einheitlichen Währung als gesetzliches Zahlungsmittel,
e)Definition und gesetzlicher Status der nationalen Währungen;
11.fordert von Beginn der Phase B an die Auszeichnung der Preise sowohl in der Europawährung als auch in der jeweiligen nationalen Währung, damit die Vergleichbarkeit der Preise und Markttransparenz hergestellt, eine schleichende Preiserhöhung ausgeschlossen und zu einem neuen Preisbewu tsein beigetragen werden kann; fordert auch die Angaben über Gehälter und Rechnungsbeträge in einheitlicher und nationaler Währung;
12.fordert die Regierungen auf, in der Vorbereitung auf die einheitliche Währung im öffentlichen Sektor und in der wichtigen öffentlichen Verwaltung eine Vorreiterrolle zu übernehmen; wünscht, da die gesamte Neuverschuldung des öffentlichen Sektors der Mitgliedstaaten, sowohl kurzfristige als auch langfristige Darlehen, von der dritten Stufe an in der einheitlichen Währung vorgenommen wird;
13.fordert vom Europäischen Rat in Madrid die Festlegung auf einen in allen europäischen Sprachen gleichen Namen für die einheitliche Währung, wenn aus politischen Gründen ein neuer Name festgelegt werden soll; hält es für notwendig, da die Herstellung und das Inumlaufbringen von Banknoten und Münzen sorgfältig geplant wird; unterstreicht die Notwendigkeit, da die professionellen Benutzer von Bargeld, insbesondere Automatenhersteller, kleine und mittlere Unternehmen sowie Einzelhändler, rechtzeitig über die Merkmale der neuen Noten und Münzen informiert werden;
14.fordert im allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Interesse für die Länder, die nicht von Anfang an an der WWU teilnehmen werden, in der dritten Stufe die Fortführung eines solidarischen Europäischen Währungssystems mit der einheitlichen Währung als Anker für die Unionswährungen au erhalb der WWU und spricht sich für Mechanismen aus, die im Rahmen von definierten Bandbreiten einseitige Auf- und Abwertungen verhindern, ein Finanzierungsinstrument bereitstellen, den Interventionsmechanismus geeignet modifizieren und dazu beitragen, die spätere volle Teilnahme aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorzubereiten und zu unterstützen;
15.fordert von der Regierungskonferenz 1996 eine unionsweite Festlegung auf Fortschritte zu einer noch engeren Union und ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Währungsunion und der Wirtschaftsunion; fordert in diesem Zusammenhang die Entwicklung neuer politischer Instrumente und institutioneller Strukturen, um zur Sicherung dieses Gleichgewichts beizutragen;
16.fordert, zur Überwindung der Akzeptanzprobleme eine unionsweite Informationskampagne "Ein Europa - eine Währung", die 1996 beginnen mu ; fordert Runde Tische aller Beteiligten auf der Ebene der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten und der Regionen einzurichten, damit alle anstehenden Probleme offengelegt werden und Lösungen eine hohe Akzeptanz erhalten, sowie ein Bildungs- und Ausbildungsprogramm "Europawährung", das von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union gemeinsam durchgeführt werden soll;
17.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung dem Rat, der Kommission, dem EWI, den Präsidenten der nationalen Zentralbanken und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.