A4-0249/95
Entschlie ung zu dem Bericht der Kommission "Der Binnenmarkt 1994" (KOM(95)0238 - C4-0239/95)
Das Europäische Parlament,
-in Kenntnis des Berichts der Kommission "Der Binnenmarkt 1994" (KOM(95)0238 -C4-0239/95),
-unter Hinweis auf seine Entschlie ung vom 22. April 1994 zu dem Bericht der Kommission für das Jahr 1993: Der Binnenmarkt in der Gemeinschaft,
-gestützt auf Artikel 145 seiner Geschäftsordnung,
-in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, des Ausschusses für Forschung, technologische Entwicklung und Energie, des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung und Medien, des Ausschusses für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten, des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr, des Ausschusses für Au enwirtschaftsbeziehungen und des Haushaltsausschusses (A4-0249/95),
A.in der Erwägung, da die Vollendung des geplanten Binnenmarkts und sein ordnungsgemä es Funktionieren entscheidende Bedeutung für die politische Glaubwürdigkeit der Union sowie für die Wettbewerbsfähigkeit und das Arbeitsplatzschaffungspotential der Wirtschaft der Union die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, insbesondere der KMU, und allgemein ihren Wohlstand und das Wohlergehen des europäischen Bürgers haben,
B.in der Erwägung, da der Binnenmarkt in bestimmten Schlüsselbereichen noch nicht vollendet ist und da er in anderen Bereichen zwar formell geschaffen worden ist, aber zum Schaden der Bürger und der Wirtschaft der Union nicht so funktioniert, wie es der Fall sein sollte,
C.unter Hinweis darauf, da es wesentlich darauf ankommt, da der Binnenmarkt von Unternehmen aller Grö en als für sie vorteilhaft empfunden wird,
D.in der Erwägung, da es selbst zu denen gezählt hat, die die Erstellung jährlicher Berichte gefordert haben, in denen die im Lauf des Jahres erzielten Fortschritte bei der Vollendung des Binnenmarkts skizziert werden und von denen der erste im vergangenen Jahr, bezogen auf 1993, erschienen ist,
E.in der Erwägung, da dieser Jahresbericht ein nützliches Instrument für Einzelpersonen, Interessenverbände, Unternehmen und Behörden sein sollte, die Informationen über den Stand der Vollendung des Binnenmarkts brauchen, und da er eine Bewertung der Umsetzung des Binnenmarkts auf den einzelnen administrativen Ebenen, eine Anleitung für die Auslegung der Regeln des Binnenmarkts und Beispiele für gerichtliche Entscheidungen mit Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts umfassen sollte,
Inhalt des Jahresberichts
1.begrü t diesen zweiten Jahresbericht der Kommission zum Binnenmarkt 1994 und insbesondere den realistischeren Tenor, in dem er formuliert ist; stellt fest, da der grö te Teil der in seiner obengenannten Entschlie ung zum ersten Jahresbericht verlangten zusätzlichen Informationen tatsächlich in dem neuen Bericht enthalten sind (Informationen über die praktischen Auswirkungen der binnenmarktbezogenen Rechtsvorschriften auf die einzelnen Sektoren, zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Gebiete, auf denen noch Probleme bestehen, Angaben über Entscheidungen des Gerichtshofs, die für den Binnenmarkt besonders relevant sind, und zumindest eine Liste der aktuellen Berichte und Untersuchungen über sein Funktionieren);
2.stellt fest, da durch diese Verbesserungen der Jahresbericht für die im Binnenmarkt tätigen Verbraucher, Unternehmen und Behörden noch nützlicher wird;
3.ist aber der Auffassung, da die künftigen Berichte sinnvoll zu ergänzen wären durch eine Erörterung der Auswirkungen des Binnenmarkts auf die Umwelt und der Art und Weise, in der die EU-Binnenmarktpolitik und die Umweltpolitik integriert werden;
Stand der Entwicklung des Binnenmarkts
4.begrü t die Feststellung der Kommission, da der Binnenmarkt insgesamt funktioniere, warnt aber vor einer Unterschätzung des Ausma es der noch bestehenden Probleme;
5.stellt mit Besorgnis fest, da der Rat 1994 bezüglich der Verabschiedung bestimmter wichtiger Rechtsetzungsma nahmen nur geringe Fortschritte erzielt hat, wozu auch die Beseitigung der Grenzkontrollen im Reiseverkehr gehört, wo das unzulängliche Schengener Abkommen erst 1995 in Kraft getreten ist, und da in anderen Bereichen die vom Rat angenommenen Ma nahmen nicht nach den vereinbarten Zeitplänen von den Mitgliedstaaten umgesetzt und durchgeführt werden;
6.stellt fest, da die bedeutendsten Probleme, die der Vollendung des Binnenmarkts im Weg stehen und die sich durchweg wettbewerbsverzerrend auswirken, folgende sind:
a)das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung wird in den Mitgliedstaaten häufig nicht eingehalten,
b)die Praktiken der Vergabe öffentlicher Aufträge in den Mitgliedstaaten haben sich seit der nominellen Liberalisierung dieses Sektors kaum geändert,
c)zur Harmonisierung wichtiger Bereiche des Steuerwesens (Verbrauchsteuern, steuerliche Behandlung von Sparguthaben und Besteuerung von Unternehmen) wurde nichts unternommen und im Fall der Mehrwertsteuer nur begrenzte Schritte,
d)die Umweltrechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten weichen voneinander ab; strenge Umweltnormen sollten jedoch nicht als Handelshemmnisse betrachtet werden,
e)die Beseitigung der Kontrollen von Einzelpersonen an den Binnengrenzen wird nicht vollendet,
f)Schwierigkeiten und Kosten bei der Durchsetzung eigener Rechte und beim Zugang zum Recht in Fällen von Verstö en gegen Grundsätze und Vorschriften des Binnenmarkts,
g)das Überma an den Unternehmen abverlangtem bürokratischem Aufwand, der eine erhebliche Belastung für diese und vor allem für die KMU darstellt;
7.weist in diesem Zusammenhang darauf hin, da sich aus dem unterlassenen Vollzug des Binnenmarktprogramms für bestimmte Sektoren, z.B. Alkohol und Tabak, neue Chancen zum Ausbau des organisierten Verbrechens ergeben haben;
8.weist in diesem Zusammenhang darauf hin, da eine zweckmä ige Anwendung der Binnenmarktrechtsvorschriften notwendig ist und da die bestehenden einzelstaatlichen Systeme von Sanktionen, die bei Nichteinhaltung der sich aus gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ergebenden Verpflichtungen anwendbar sind, nicht genügen;
9.betont, da der Binnenmarkt erst dann ordentlich funktionieren kann, wenn eine einheitliche Währung geschaffen ist;
10.erklärt sich besorgt darüber, da sich bestimmte Entscheidungen von Kommission und Rat eigentlich als Schmälerung der Vorteile des Binnenmarkts für viele Verbraucher auswirken;
11.bedauert mit Nachdruck, da nationale Behörden mitunter die auf Unionsebene verabschiedeten Rechtsvorschriften in übertriebener Weise durchführen und dadurch die Vorschriften komplizieren, ihre Wirksamkeit beeinträchtigen, die Belastung der Unternehmen erhöhen und die EU in Mi kredit bringen; lehnt jedoch jeden ausschlie lich auf Deregulierung abzielenden Ansatz zur Lösung dieses Problems ab, da das zur Aushöhlung der Sozial-, Umweltschutz- und Verbraucherschutznormen führen kann;
12.fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen um die Vollendung des Binnenmarktes vorausschauend mit den derzeitigen Tätigkeiten im Rahmen der WHO zu koordinieren, und zwar insbesondere in bezug auf die Einbeziehung von umwelt-und sozialpolitischen Anliegen in das Welthandelssystem;
13.stellt mit Besorgnis fest, da bestimmte nationale Behörden weiterhin Praktiken anwenden, die mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über den Binnenmarkt nicht in Einklang stehen und den Warenverkehr behindern;
Au enwirtschaftsaspekte
14.weist darauf hin, da die Vollendung des Binnenmarkts erhebliche Auswirkungen auf die Au enwirtschaftsbeziehungen der EU hat, und fordert alle Staaten, die regionale Integration betreiben, auf, dafür zu sorgen, da die Vorteile solcher Prozesse nicht auf den jeweiligen Binnenmarkt beschränkt bleiben, sondern auch Wirtschaftsteilnehmern in Drittstaaten offenstehen;
15.stellt fest, da der Binnenmarkt keine "Festung Europa" mit sich gebracht hat, sondern vielmehr den Marktzugang für Drittstaaten verbessert und der regionalen Integration in Europa ebenso wie in anderen Weltregionen neuen Schwung zugeführt hat;
16.vertritt die Auffassung, da der Binnenmarkt nützliche Erfahrungen für die künftige Entwicklung des multilateralen Handelssystems liefern kann, speziell in bezug auf die weitere Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen sowie auf den Gebieten Schutz des geistigen Eigentums, Handel und Umwelt, arbeitsrechtliche Mindestnormen, auswärtige Direktinvestitionen und internationale Wettbewerbspolitik;
17.fordert die Mitgliedstaaten auf, Artikel 115 EGV aufzuheben, der sich nicht mit dem Binnenmarkt verträgt und im Binnenmarkt nicht mehr anwendbar ist;
18.erklärt sich beunruhigt über die durch die Aufhebung der Binnengrenzen bedingte und speziell an der Ostgrenze der EU auftretende Zunahme betrügerischer Einfuhrpraktiken, durch die der EU alljährlich Hunderte von Millionen ECU verloren gehen, und ersucht die Kommission, die Zusammenarbeit mit und zwischen den Zollbehörden der Mitgliedstaaten zu verbessern;
19.begrü t die nahezu vollständige Beseitigung der einzelstaatlichen Einfuhrbeschränkungen im Zuge der Vollendung des Binnenmarkts und gibt der Hoffnung Ausdruck, da die wenigen auf EU-Ebene noch bestehenden Quoten bald abgebaut werden können;
Künftige Erfordernisse
20.fordert die Vorlage und Annahme von Vorschlägen auf folgenden Gebieten:
-Sanktionen in den Mitgliedstaaten bei Verstö en gegen Binnenmarktvorschriften sollten entsprechend dem Inhalt des Schlu dokuments des französischen Ratsvorsitzes von 1995 harmonisiert und sorgfältig angewandt werden,
-bestehende Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge sollten streng durchgesetzt werden, und es sollte einschlägige Statistik zusammengestellt werden,
-Art, Häufigkeit und Anwendungsbereich von Steuern - für das Wettbewerbsumfeld so wichtig - müssen mit dem Subsidiaritätsprinzip in Einklang stehen,
-der Geltungsbereich des Schengener Abkommens mu auf die gesamte Union ausgedehnt werden,
-die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen sich noch intensiver darum bemühen, die Zusammenarbeit zwischen den Behörden zur Beseitigung ungerechtfertigter Handelsschranken zu verbessern, und speziell den kleinen Unternehmen mu Unterstützung gewährt werden, wenn sie sich bei Eingriffen in ihre Rechte um Rechtshilfe bemühen;
21.betont, da die soziale Dimension parallel zum Binnenmarkt weiter ausgebaut werden sollte, und bedauert die Anspruchslosigkeit des von der Kommission vorgelegten sozialpolitischen Aktionsprogramms und besonders das Fehlen neuer Legislativvorschläge, die auf die Garantie arbeitsrechtlicher Mindestnormen abzielen;
22.spricht sich für die Entwicklung einer starken Wettbewerbspolitik auf Unionsebene aus und betont, da diese sehr wohl mit einer offensiven Industriepolitik vereinbar ist, die einen Rahmen für eine sozial und ökologisch dauerhafte Wirtschaftsentwicklung schafft;
23.nimmt Kenntnis von der Absicht der Kommission, Leitlinien für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem vorzulegen, und fordert diesbezüglich rasches Handeln unbeschadet der Notwendigkeit, vor irgendwelchen Änderungen des bestehenden Systems das höchst wesentliche Ma an Konsultation und Vorbereitung zu gewährleisten; beharrt im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer auf dem Prinzip des Herkunftslandes;
24.fordert die Harmonisierung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöl und Mineralölprodukte, Tabakwaren und Alkohol sowie alkoholische Getränke;
25.fordert eine einheitliche Besteuerung der Kapitalerträge;
26.verlangt intensivierte Bemühungen um die Einführung von Binnenmarktgrundsätzen in den Energieversorgungsmarkt;
27.begrü t die Bedeutung, die im Bericht der Kommission der Entwicklung der transeuropäischen Netze beigemessen wird, und bedauert nachdrücklich, da bisher keine Lösung gefunden wurde, die die Finanzierung der Netze möglich macht;
28.begrü t die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Parlament über die Rolle von Sanktionen bei der Durchführung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Binnenmarkts als erste Aussagen mit Hinweischarakter zu binnenmarktbezogenen Sanktionen;
29.begrü t die Initiative der Kommission für eine eingehende Studie über die Auswirkungen des Binnenmarktprogramms auf die einzelnen Sektoren der Wirtschaft und verlangt die Zusicherung, da die Ergebnisse veröffentlicht werden;
30.verweist in diesem Zusammenhang auf den Wunsch der Wirtschaft nach Einrichtung einer Beschwerdestelle bei der Europäischen Kommission, bei der privaten Unternehmen binnen einer bestimmten Frist Hilfe geleistet wird;
31.fordert die umfassende gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen, insbesondere im nichtakademischen Bereich;
32.fordert eine Vereinfachung und Entbürokratisierung der Verfahren in bezug auf Unternehmensgründungen und die Niederlassung von Selbständigen;
33.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschlie ung der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.