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Pasolini Pier Paolo - 1 novembre 1975
Der Radikale skandal
von Pier Paolo Pasolini

ZUSAMMENFASSUNG: Wir veröffentlichen hier den Text der Rede, die Pier Paolo Pasolini im November 1975 auf dem Parteikonge der Radikalen Partei halten sollte. Diese Rede konnte nur vorgelesen werden, vor einem stummen und erschütterten Publikum, denn Pasolini war zwei Tage vorher ermordet worden. Der gro e Poet und Denker warnt vor der Gefahr, in der die Radikale Partei gerade wegen ihrer gro en Erfolge bei der Durchsetzung der Bürgerrechte schwebt, denn ein neuer Konformismus von links bemächtige sich unseres Kampfes für die Bürgerrechte, und "stellt ihn in den Zusammenhang einer falschen Toleranz und eines falschen Laizismus." Gerade die radikale Kultur der Bürgerrechte, der Reform, der Verteidigung von Minderheiten würde von den Systemintellektuellen als terroristische, gewalttätige und unterdrückende Kraft eingesetzt. Die Machthaber schickten sich an, "die fortschrittlichen Intellektuellen zu ihren Ministranten zu machen." Pasolinis Vorhersage hat sich bewahrheitet, nicht nur in Italien, auch in der ganz

en westlichen Gesellschaft, wo sich im Namen des Fortschritts und des Modernismus eine neue machtvolle Klasse totalitarisierender Verwandlungskünstler etabliert hat, die zweifellos entschieden gefährlicher als die traditionellen konservativen Klassen ist. "Gegen all das " so beendet Pasolini seine Rede, " mü t Ihr nichts anderes tun, als Ihr selbst zu sein, und das bedeutet, Euch ständig zu verändern, damit Ihr nicht wiederzuerkennen seid. Verge t die gro en Erfolge sofort und bleibt weiterhin unerschrocken, hartnäckig, immer dagegen, in Eurem Fordern, Eurem Wollen, in Eurer Identifikation mit dem Andersartigen, im Ansto erregen, im Fluchen."

(Erste Fassung der "Einzelausgabe" für den 35· Parteitag der Radikalen Partei - Budapest 22. - 26. April 1989)

Als erstes mu ich meine Anwesenheit hier rechtfertigen. Ich bin hier nicht als Radikaler. Ich bin hier nicht als Sozialist. Ich bin hier nicht als Progessiver, Ich bin hier als Marxist, der die PCI wählt, und der gro e Hoffnungen in die neue kommunistische Generation setzt. Er hofft auf die neue Generation von Kommunisten mindestens ebenso stark wie auf die Radikalen. Und das mit jener gro en Willensstärke und Irrationalität, vielleicht auch Willkür, die Realität verschieben kann, und die - vielleicht mit einem Seitenblick auf Wittgenstein - die Realität frei reflektiert, in Frage stellt. Zum Beispiel: die PCI erklärt heute, die demokratische Praxis - sine die - zu akzeptieren. Also darf ich daran keine Zweifel haben: sicherlich bezieht sich die PCI nicht auf die in den letzten drei Jahrzehnten angewandte kodifizierte und konventionalisierte demokratische Praxis. Sie bezieht sich zweifelsohne auf die demokratische Praxis in ihrer ursprünglichen formalen Reinheit , oder wenn wir so wollen, in ihren formalen

Abmachungen.

Zur weltlichen Form der Demokratie. Es wäre eine Selbstabwertung, die PCI zu verdächtigen, sie beziehe sich auf das demokratische Gebaren der Christdemokraten. Und also kann man auch nicht davon ausgehen, die PCI bezöge sich auf das demokratische Gebaren der Radikalen.

Erster Artikel

A) Am meisten sind die Personen zu bewundern, die nicht wissen, da sie Rechte haben. B) Auch die Personen sind bewunderungswürdig, die ihre Rechte zwar kennen, sie aber nicht einfordern, oder die sogar darauf verzichten. C) In gewissem Sinne sympatisch sind auch jene, die für die Rechte anderer kämpfen (vor allem für die Rechte derjenigen, die nichts von ihren eigenen wissen). D) In unserer Gesellschaft gibt es die Ausgebeuteten und die Ausbeuter. Nun denn, um so schlimmer für die Ausbeuter. E) Es gibt Intellektuelle, die engagierten Intellektuellen, die es für ihre Pflicht und für die der anderen halten, den von ihnen bewunderten Personen, die ihre Rechte nicht kennen, dieselben bewu t zu machen; und die bewunderungswürdigen Personen, die auf ihre Rechte verzichten, aufzufordern, nicht darauf zu verzichten; alle zu drängen, den historischen Ruf zu hören, für die Rechte anderer zu kämpfen; und schlie lich die Tatsache als unumstritten und der Diskussion nicht würdig anzusehen, da von Ausbeutern und Ausgebe

uteten die Ausgebeuteten die Unglücklichen sind.

Von diesen Intellektuellen, die sich seit einem Jahrhundert diese Rolle auf den Leib geschrieben haben, haben sich in den letzten Jahren besonders wilde Gruppen abgesetzt, die aus dieser Rolle eine extremistische Rolle machen. Ich spreche also von den Extremisten, den jungen und ihren älteren Schmeichler. Diese Extremisten (ich möchte mich nur mit den besseren unter ihnen befassen) setzten sich als vorrangiges und fundamentales - und ich würde das auch ein apostolisches nennen - Ziel, unter den Menschen das Bewu tsein über ihre eigenen Rechte zu verbreiten. Das machen sie mit Bestimmtheit, Wut, Verzweiflung, optimistischer Geduld oder explosiver Ungeduld, je nach Geschmack (...)

Zweiter Artikel

Dem schiefen Willen der Berufshistoriker und -politiker nicht gehorchend, und noch weniger dem der römischen Feministinnen - mit ihrem starken Wunsch, mich auf Elicona zu verbannen wie die Mafiosi auf Ustica - habe ich an einem Sommerabend in einer nördlichen Stadt an einer politischen Debatte teilgenommen. Und wie es dann immer so kommt, wollte eine Gruppe junger Leute die Debatte dann auf der Stra e fortsetzen, in der lauen, mit mit Gesang erfüllten Abendluft. Unter den jungen Leuten war ein Grieche . Er war genau einer dieser "sympatischen" marxistische Extremisten, von denen ich vorher sprach. Auf dem Untergrund der höchsten Sympathie hatten jedoch alle die auffallendsten Defekte der Rhetorik und auch der extremistischen Subkultur schönste Blüten getrieben. Er war ein etwas schlampig gekleideter "Pubertierender", vielleicht sogar so etwas wie ein Stra enjunge: doch zur gleichen Zeit trug er den Bart des echten Denkers, so etwas zwischen Menippos und Aramis; doch die schulterlangen Haare verfremdeten die

mögliche gestische Erhabenheit des Bartes durch etwas Exotisches und Irrationales: ein Anklang an die brahmanische Philosophie, an das arglose Anderssein der Guruanhänger. Der junge Grieche lebte diese seine Rhetorik ohne die geringste Selbstkritik aus. Er wu te nichts von seinen so auffallenden Signalen, und darin war er so bewunderungswürdig wie die, die von ihren Rechten nichts wissen ... Von seinen Fehlern, die er so treuherzig auslebte, war sicherlich der grö te seine Berufung, den anderen das Bewu tsein über die eigenen Rechte beizubringen, und auch den Willen, dafür zu kämpfen ("Immer ein bi chen", sagte er; für ihn war das Leben eine lange Angelegenheit, sozusagen ohne Ende). Hier also - wie ich es in diesem griechischen Schüler sah - das Überma , inkarniert in seiner unwissenden Person. Das Sendungsbewu tsein der jungen Extremisten bürgerlicher Herkunft - das Apostelamt zugunsten des Bewu tseins über das Recht sowie mit dem absoluten Willen, es auch zu verwirklichen - ist unter Zuhilfenahme des Mar

xismus nichts anderes als die Wut des armen Bürgerlichen auf den reichen, des jungen auf den alten Bürgerlichen, des ohnmächtigen auf den mächtigen, des Kleinbürgers auf den Gro bürger. Es ist ein unbewu ter Bürgerkrieg - unter dem Deckmantel des Klassenkampfes - in der Hölle des bürgerlichen Bewu tseins. Wohlgemerkt, ich spreche von Extremisten, nicht von Kommunisten. Die bewunderungswürdigen Personen, die ihre Rechte nicht kennen und die, die sie kennen, aber darauf verzichten, erfüllen in diesem maskierten Bürgerkrieg eine sehr gut bekannte und antike Funktion: sie sind das Schlachtvieh. Sie werden mit unbewu ter Heuchelei hauptsächlich als Hilfsmittel benutzt, das das Gewissen von der Last des Neides und des wirtschaftlichen Grolls befreit; in zweiter Linie werden sie von jungen, armen, unsicheren und fanatischen Bürgerlichen als ein Heer "reiner" Parias in einen unwissentlich unreinen Kampf geführt, eben gegen die alten, reichen, sicheren und faschistischen Bürgerlichen.

Verstehen wir uns recht: der griechische Student, von mir hier als Symbol genommen, war (abgesehen von seiner absoluten Wahrheitsfindung) auch ein "Reiner", wie die Armen. Und diese Reinheit verdankt er nichts anderem als dem "Radikalismus", der in ihm war.

Dritter Artikel

Denn es ist nun an der Zeit, es auszusprechen: Die Rechte, von denen ich hier spreche, sind die Bürgerrechte; die - stellt man sie au erhalb des engen demokratischen Zusammenhangs, möglich zum Beispiel in einer idealen puritanischen Demokratie in England oder den Vereinigten Staaten, oder in einer laizistischen Demokratie in Frankreich - einen klassenkämpferischen Charakter angenommen haben. Die sozialistische Italienisierung der "Bürgerrechte" mu te sich in fataler Weise (historisch) popularisieren. Denn, der Extremist, der die anderen lehrt, Rechte zu haben, was lehrt er ? Er lehrt, da der, der dient, dieselben Rechte hat, wie der, der befiehlt. Der Extremist, der die anderen lehrt, den Kampf für die eigenen Rechte aufzunehmen, was lehrt er ? Da man die Rechte der Herren ausnutzen mu . Der Extremist, der die anderen lehrt, da die von den Ausbeutern ausgebeuteten unglücklich sind, was lehrt er ? Er lehrt sie, dasselbe Glück der Ausbeuter zu fordern. Das auf diese Weise vielleicht erreichte Resultat ist d

ie Gleichsetzung, die Identifikation, d.h. im besten Falle eine Demokratisierung im bürgerlichen Sinne. Die Tragödie der Extremisten besteht darin, da sie einen Kampf, der so alt wie das Bürgertum selbst und für das Bürgertum selbst so existentiell ist, in einen Bürgerkrieg zurückverwandeln, und ihn verbal auch noch revolutionär marxistisch-leninistisch definieren. Die Verwirklichung der eigenen Rechte bringt nur den voran, der sie in der Position des Bürgers erreicht.

Vierter Artikel

Inwiefern hat das Klassenbewu tsein nichts mit dem Bewu tsein über die vermarxten Bürgerrechte zu tun ? Inwiefern hat die PCI nichts mit den Extremisten gemein (auch wenn sie sie manchmal mit Hilfe der alten bürokratischen Diplomatie für sich beansprucht, wie zum Beispiel die Achtundsechziger schon mit dem Partisanen-Widerstand im Zweiten Weltkrieg auf eine Stufe gestellt werden) ? Das ist alles ziemlich einfach: während die Extremisten pragmatisch für ihre vermarxten Bürgerrechte, wie schon gesagt, im Sinne der Gleichstellung von Ausgebeuteten und Ausbeutern kämpft, kämpfen die Kommunisten hingegen für die Bürgerrechte im Sinne eines Andersseins. Ein Anderssein (nicht einfach als Alternative verstanden), das von Natur aus jede mögliche Angleichung von Ausgebeuteten an die Ausbeuter ausschlie t. Der Klassenkamof ist bis heute auch ein Kampf für das Vorrecht auf eine andere Lebensform gewesen (um nochmals Wittgenstein als potentiellen Antropologen zu zitieren), d.h. für eine andere Kultur. Tatsächlich waren d

ie beiden sich bekämpfenden Klassen auch - wie soll man sagen - von verschiedener Rasse. Und in Wahrheit sind sie in der Substanz heute noch so, mitten im Konsumzeitalter.

Fünfter Artikel

Wir wissen alle, da die "Ausbeuter", wenn sie (mit Hilfe der "Ausgebeuteten") Waren produzieren, in Wahrheit Humanität (soziale Beziehungen) produzieren. Die "Ausbeuter" der Zweiten Industriellen Revolution (auch Konsumismus genannt, d.h. gro e Quantität, Überflu güter, Hedonismus) produzieren neue Waren, also produzieren sie neue Humanität (neue soziale Beziehungen). Im Laufe ihrer ca. 200 jährigen Geschichte hat die Erste Industrielle Revolution immer veränderbare soziale Beziehungen produziert. Der Beweis ? Er liegt in der substantiellen Sicherheit über die Veränderbarkeit der sozialen Beziehungen derjenigen, die für ein revolutionäres Anderssein kämpften. Nie haben sie der Wirtschaft oder der Kultur des Kapitalismus eine Alternative entgegengesetzt, sondern eben ein Anderssein. Ein Anderssein, das die existierenden sozialen Beziehungen, oder anthropologisch gesprochen, die existierende Kultur, radikal hätte verändern müssen. Im Grunde genommen war die bestehende "soziale Beziehung" zwischen Leibeigenem

und Feudalherrn nicht so verschieden von der zwischen Arbeiter und Kapitalist; auf jeden Fall waren beide veränderbare Beziehungen. Wenn aber die Zweite Industrielle Revolution - dank der neuen immensen Möglichkeiten, die sie bietet - von jetzt an unveränderbare "soziale Beziehungen" produzieren würde ? Das ist die gro e, vielleicht tragische Frage, der wir uns heute stellen müssen. Und das ist im eigentlichen Sinne die Definition der totalen Verbürgerlichung, die in allen Ländern stattfindet; sie ist bestimmend in den gro en kapitalistischen Ländern, auf dramatische Weise sichtbar in Italien. Aus diesem Blickwinkel scheint die Perspektive des Kapitals rosig. Die Bedürfnisse, die der alte Kapitalismus schuf, waren im Grunde genommen den Grundbedürfnissen sehr ähnlich. Die Bedürfnisse, die der neue Kapitalismus schaffen kann, sind total und völlig unnütz und künstlich. Damit und darum würde sich der neue Kapitalismus nicht darauf beschränken, historisch einen neuen Menschentyp zu schaffen, sondern die Menschh

eit selbst zu verändern. Es mu hinzugefügt werden, da der Konsumismus unveränderbare "soziale Beziehungen" schaffen kann, sei es im schlimmsten Fall durch das Ersetzen des alten Klerikalfaschismus durch einen neuen Technikfaschismus (der sich aber nur durchsetzen könnte, wenn er sich Anti-Faschismus nennen würde), sei es, wie es heute wahrscheinlicher ist, indem man die eigene hedonistische Ideologie mit einer verlogenen Toleranz und einer verlogenen Weltlichkeit verbindet, d.h. mit einer verlogenen Verwirklichung der Bürgerrechte. In beiden Fällen würde der Raum für ein wirkliches revolutionäres Anderssein auf die Utopie oder auf die Erinnerung und die Funktion der marxistischen Parteien auf eine zwar historisch gesehen völlig neue, aber eben sozialdemokratische Funktion reduziert werden.

Sechster Artikel

Lieber Panella, lieber Spadaccia, liebe radikale Freunde, die ihr mit allen so geduldig wie Heilige seid, und auch mit mir: Das Anderssein existiert nicht nur im Klassenbewu tsein und im revolutionären marxistischen Kampf. Es existiert auch in der kapitalistischen Entropie. Hier genie t es (oder besser gesagt, erleidet es, und oft leidet es furchtbar) seine Verwirklichung und seine Wirklichkeit. Das, was es ist und das andere, das in ihm ist, sind zwei kulturelle Grö en. Zwischen diesen beiden Grö en besteht eine Beziehung oft schrecklicher Regelverletzungen. Die Funktion des Marxismus' bis heute war und ist es, diese Beziehung in eine dialektische umzuwandeln; in eine dialektische Beziehung zwischen der Kultur der herrschenden und der beherrschten Klasse. Eine solche dialektische Beziehung wäre also dort nicht mehr möglich, wo die Kultur der herrschenden Klasse verschwunden, eliminiert, abgeschafft wäre, wie ihr sagt. Also mu man für die Erhaltung beider Kulturformen, der der Herrschenden und der der Beher

rschten, kämpfen. Das habt Ihr in all diesen Jahren, besonders in den letzten, getan. Und Ihr habt beide Formen überall aufgespürt: im Stadtzentrum, in den entlegensten, verlassensten und unwegsamsten Winkeln. Ihr habt keine menschliche Achtung gehabt, keine falsche Würde, und Ihr habt keiner Erpressung nachgegeben. Ihr hattet weder Angst vor den Dirnen noch vor den Zöllnern, und noch nicht einmal - und das sagt alles - vor den Faschisten.

Siebter Artikel

Bürgerrechte sind im wesentlichen die Rechte der anderen. Anderssein drückt ein fast unbegrenztes Konzept aus. In Eurer Milde und in Euer Unnachgiebigkeit habt ihr keine Unterschiede gemacht. hr habt Euch bis auf den Grund für jedes mögliche Anderssein kompromittiert. Aber eine Betrachtung mu angestellt werden. Es gibt ein Anderssein, das die Mehrheit betrifft und eines, das die Minderheit angeht. Das Problem, das sich in Bezug auf die Zerstörung der Kultur der herrschenden Klasse stellt, also das Ausschalten eines dialektischen und deshalb bedrohlichen Andersseins, ist ein Problem, das die Mehrheit betrifft. Die Frage der Ehescheidung betrifft die Mehrheit. Die Frage der Abtreibung betrifft die Mehrheit. Denn die Arbeiter und die Bauern, die Ehemänner und die Ehefrauen, die Väter und die Mütter sind die Mehrheit. In Bezug auf die allgemeine Verteidigung des Andersseins, die Ehescheidung, die Abtreibung habt ihr gro e Erfolge erzielt. Das bedeutet - und Ihr wi t das sehr genau - eine gro e Gefahr. Eine Gef

ahr für Euch - und Ihr wi t darauf richtig zu reagieren -, aber auch für das ganze Land, das jedoch gewöhnlich schlecht darauf reagiert, besonders auf kulturellem Niveau, welches ohnehin viel höher sein mü te. Was will ich damit sagen ? Durch die Adoption der vermarxten Bürgerrechte seitens der Extremisten - von denen ich im ersten Artikel meiner Rede sprach - sind die Bürgerrechte selbst nicht nur Teil des Gewissens, sondern auch Teil der Dynamik der gesamten führenden Klasse fortschrittlicher Prägung geworden. Ich spreche hier nicht von Euren Sympathisanten ... Ich spreche nicht von denen unter Euch, die die entlegensten und verschiedensten Orte erreicht; eine Tatsache, auf die Ihr mit Recht stolz seid. Ich spreche von den kommunistischen Intellektuellen, den linkskatholischen Intellektuellen, den Intellektuellen allgemein

Achter Artikel

Ich wei , da ich schwerwiegende Dinge sage. Andererseits war das unvermeidlich. Was hätte ich sonst hier zu suchen ? Ich zeige Euch im Augenblick berechtigter Euphorie der Linken das, was für mich die grö te und schlimmste Gefahr ist, die besonders auf uns Intellektuelle in der nächsten Zukunft zukommt. Ein neuer "trahison des clercs", eine neue Akzeptanz; eine neue Zustimmung; eine neue Anerkennung der vollendeten Tatsachen; ein neues Regime und sei es auch wieder nur das einer neuen Kultur und einer neuen Lebensqualität. Ich erinnere an das, was ich im fünften Artikel sagte: der Konsumismus kann die neuen sozialen Beziehungen unveränderbar machen, ausgedrückt in der neuen Produktionsweise, "indem man die eigene hedonistische Ideologie mit einer verlogenen Toleranz und einer verlogenen Weltlichkeit verbindet, d.h. mit einer verlogenen Verwirklichung der Bürgerrechte." Nun spielt die Masse der Intellektuellen, die bei Euch mit Hilfe einer pragmatischen Vermarxung der Extremisten den Kampf für die Bürgerrech

te entliehen und in den eigenen fortschrittlichen bzw. linkskonformistischen Kodex übernommen hat, nichts anderes als das Spiel der Macht: je fanatischer ein progressiver Intellektueller von der Güte seines eigenen Beitrags zur Verwirklichung der Bürgerrechte überzeugt ist, umso mehr akzeptiert er Grunde genommen die ihm von der Macht aufgezwungene sozialdemokratische Funktion, und verleugnet mit Hilfe der ebenso verlogenen wie verabsolutierenden Verwirklichung der Bürgerrechte jedes wirklich existierende Anderssein. So also schickt sich die Macht an, die progressiven Intellektuellen zu ihren Ministranten zu machen. Und diese sind jener unsichtbaren Macht schon längst heimlich beigetreten, und sie haben schon längst die unsichtbare Mitgliedskarte in der Tasche. Gegen all das - so glaube ich - mü t Ihr nichts anderes tun, als Ihr selbst zu sein, und das bedeutet Euch ständig zu verändern, damit Ihr nicht wiederzuerkennen seid.

Verge t die gro en Erfolge sofort und bleibt weiterhin unerschrocken, hartnäckig, immer dagegen, in Eurem Fordern, Eurem Wollen, in Eurer Identifikation mit dem Andersartigen, im Ansto erregen, im Fluchen.

 
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