(Erste Fassung der "Einzelausgabe" für den 35· Parteitag der Radikalen Partei - Budapest 22. - 26. April 1989)Der Fall Polen ist ein Präzdensfall, ein Testfall für neue Beziehungen nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch zwischen den europäischen Völkern; und ein Testfall vor allem dafür, ob die Einhaltung und Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte, der gewerkschaftlichen und politischen Rechte möglich ist; hier in Polen wird sich das Europa der Demokratie und der Freiheit bewähren müssen, ebenso wie die politische Einigung der Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aber auch die Einigung der mitteleuropäischen Länder, wie Polen, oder der Länder des Mittelmeerraumes, wie Jugoslawien oder Israel.
Die Radikale Partei zählt hier in Polen etwas mehr als zehn Mitglieder, und wir waren schon verschiedentlich Opfer verleumderischer Angriffe durch den Regierungssprecher Urban und das regimetreue Fernsehen. Die Radikale Partei ist damit in Polen ein anerkannter politischer Gegner geworden, und sie arbeitet mit allen oppositionellen Kräften eng zusammen. Abgesehen von den gewaltlosen Aktionen der letzten zwei Jahre - wie sie in der Chronolgie zusammengefa t sind - verfolgten wir im Jahre 1987 eine ganz neue, beispiellose Initiative. Zum ersten Mal arbeiten eine unabhängige Organisation des Ostens mit einer des Westens zusammen: die Radikale Partei und "Wolnosc i Pokoi" führten gemeinsam einen Hungerstreik zur Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung in Ost und West an, in dem Polen und Belgier, Spanier und Jugoslawen, Italiener und Franzosen, Griechen, Türken und Holländer vereinigt waren.
Im Juli des vergangenen Jahres wird die Forderung nach Anerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung vom Regime angenommen, und das Parlament in Warschau verabschiedet ein Gesetz, das - wenn auch in beschränktem Rahmen - die Einrichtung eines Zivildienstes als Alternative zum Militärdienst vorsieht. Das war ein gro er Erfolg der jungen Polen von WiP, deren Kampf mit der Forderung nach Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung begann, und die heute ein neuer und sehr aktiver Teil der polnischen Opposition geworden ist. Aber es war auch ein gro er Erfolg für die gesamte polnische Opposition, und auch für die Radikale Partei.