Radicali.it - sito ufficiale di Radicali Italiani
Notizie Radicali, il giornale telematico di Radicali Italiani
cerca [dal 1999]


i testi dal 1955 al 1998

  RSS
mar 01 apr. 2025
[ cerca in archivio ] ARCHIVIO STORICO RADICALE
Archivio Partito radicale
Teodori Massimo - 1 aprile 1989
Zwanzig jahre radikale partei: kämpfe, siege, niederlagen
von Massimo Teodori

ZUSAMMENFASSUNG: In 6.000 Worten hier die Geschichte einer kleinen, aber nicht sektiererischen politischen Gruppe, die in den 30 Jahren ihres Bestehens vornehmlich auf Italien konzentriert war. Sie konnte bis heute gro e soziale und politische Mehrheiten mobiliseren und die italienische Kultur und Gesellschaft freier und demokratischer machen. Hier berichten wir über die Kämpfe, Siege und Niederlagen einer Partei, die ihre eigene Existenz für Ziele aufs Spiel setzt, die im Falle ihrer Verwirklichung die geographische und gemeinschaftliche Geschichte Europas grundlegend verändern würden. Hier berichten wir über Aktionen für die Vereinigten Saaten von Europa als eine Institution des Rechts und der Freiheit, die in der Lage sein soll, das Krebsgeschwür des nationalen Egoismus zu überwinden und ein Ort des Friedens, der Sicherheit und des Fortschritts auch im Osten und Süden der Welt zu werden. Hier berichten wir über den Kampf gegen das kriminelle Imperium, basierend auf dem illegalen Drogenhandel und genährt v

on den törichten Prohibitionsgesetzen.

(Erste Fassung der "Einzelausgabe" für den 35· Parteitag der Radikalen Partei - Budapest 22. - 26. April 1989)

1. DIE RADIKALE PARTEI: URSPRUNG UND WURZELN

Die Radikale Partei wurde Mitte der fünfziger Jahre von fortschrittlichen Liberalen gegründet, von Personen, die aus der linken, nicht-kommunistischen Aktionspartei (Partito d'azione) kamen und im Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus aktiv waren; aber auch von Jugendlichen und Teilnehmern der Studentenbewegung. Im Zentrum ihrer Aktionen standen die Demokratie, die alten und neuen Freiheitsrechte, die soziale Gerechtigkeit und die föderalistischen, republikanischen und demokratischen Ideale, die in der Tradition des "Risorgimento", des Antifaschismus der liberal-sozialistischen Gruppen und des laizistischen Kampfes für die Trennung von Kirche und Staat stehen. 1962 übernahm eine Gruppe jüngerer Radikaler unter der Leitung von Marco Pannella das Erbe der Partei und rief ein neue politische Kraft ins Leben, die vom föderalistischen Internationalismus, von anti-autoritären Ideen, von der gewaltlosen Aktion und zivilem Ungehorsam geprägt war.

Die Radikale Partei war gleichzeitig Partei und Bewegung. Sie hat die Bedürfnisse der Bürger nach mehr Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit geweckt, organisiert und ihnen Ausdruck gegeben und sich in harten Kämpfen für diesbezügliche Reformen engagiert. Sie hat sich dem verbalen Revoluzzertum verweigert und sich zum Ziel gesetzt, die Gesetze so zu ändern, da sie der Lebensweise, dem Denken und dem Verhalten der Bürger angemessen sind. Und obwohl die Radikale Partei selbst immer eine Minderheitspartei war, hat sie in diesem Sinne immer heikle Themen angepackt und versucht, diese mehrheitsfähig zu machen. Auch war die Radikale Partei als Bewegung immer wieder in der Lage, von den Politikern normalerweise vernachlässigte Forderungen der Bürger anzuregen und zu organisieren.

Die Radikale Partei entschied sich zu Beginn ihrer Arbeit zum au erparlamentarischen Kampf und nahm deshalb auch nicht an Parlamentswahlen teil. Seit 1976 ist die Radikale Partei in der italienischen Abgeordnetenkammer (zur Zeit 13 von 630 Abgeordneten), im Senat (3 von 315 Senatoren) und im Europäischen Parlament (3 Radikale von 81 italienischen Abgeordneten) vertreten. Trotzdem sind Parteistruktur, Methoden und Inhalte der radikalen Arbeit die der au erparlamentarischen Zeit geblieben, d.h. eine Kombination von Öffentlichkeitskampagnen, direkten gewaltlosen Aktionen und spezifischen Reformvorschlägen.

2. FÜR DIE BÜRGERRECHTE. FÜR DIE NEUEN UND ALTEN FREIHEITSRECHTE

In der besonderen italienischen Situation, geprägt von der starken Präsenz der katholischen Kirche und des Vatikans, in der die katholische Welt den Glauben und die Religion zur Ausdehnung ihrer Macht benutzte, haben die Radikalen mit laizistischen und anti-klerikalen Aktionen für die Trennung von Kirche und Staat gefochten. Gerade aus ihrer Tradition heraus setzte sich die Radikale Partei für die Auflösung des Konkordats ein, diese besondere Beziehung zwischen Staat und Kirche (1929 von Mussolini gesetzlich festgelegt), aufgrund derer die katholische Religion zur Staatsreligion erhoben wird und Fragen der Ehe, des Religionsunterrichts an den Schulen und der Wohlfahrtstätigkeit vorbehaltslos Privileg der Kirche sind.

Als Folge dieser idealen Stellung spielte die Radikale Partei eine entscheidende Rolle im Kampf um die Einführung der Ehescheidung in Italien, den sie ma geblich förderte und organisierte, und der schlie lich auch gewonnen wurde. 1965 gründeten die Radikalen zusammen mit liberalen, sozialistischen, kommunistischen und parteilosen Persönlichkeiten die "Liga für die Ehescheidung". Damit wurde zum ersten Mal in der Geschichte Italiens eine Bewegung ins Leben gerufen, die die verschiedensten politischen Richtungen und "Normalbürger"vereinigte und auch in der Lage war, einen erheblichen Einflu auf die öffentliche Meinung und das politische System selbst zu nehmen. 5 Jahre später, im Dezember 1970, wurde nach einer beispiellosen Kampagne mit Massendemonstrationen, gewaltlosen Aktionen wie Hungerstreiks usw. und durch ständigen Druck auf die Parlamentarier die Ehescheidung gesetzlich eingeführt. Dieser Sieg - der erste , der von einer laizistischen und fortschrittlichen Front im Italien der Nachkriegszeit erzielt

wurde; in einem Land, in dem traditionsgemä die katholisch orientierten Kräfte vorherrschen - lockerte die Starrheit der traditionellen politischen Kräfte; und 1974, vier Jahre später, erlitt die katholisch-konservative Front eine deutliche Niederlage, als die von den Katholiken beantragte Volksabstimmung zur Abschaffung des Ehescheidungsgesetzes keinen Erfolg hatte, denn nur 41 % der Bevölkerung hatten ihr "Ja" gegeben.

Die Frage der sexuellen Befreiung - der traditionellen Politik mehr als fremd - war ebenfalls ein Thema, auf das das die Radikale Partei in aller Öffentlichkeit aufmerksam machte, zum ersten Mal mit Aktionen zur Verteidigung der Rechte der Homosexuellen. Im Frühjahr 1971 wird die italienische revolutionäre homosexuelle Einheitsfront (FUORI auf deutsch DRAUSSEN) gegründet; und schon in dem Namen drückt diese Minderheit ihren Willen aus, "die Rolle des Au enseiters zu verlassen und aus dem von der Gesellschaft aufgezwungenen Ghetto der Angst und des Unglücklichseins auszubrechen." Diese Gruppe schlie t sich zusammen mit ähnlichen anderen ad-hoc-Bewegungen und Organisationen der Radikalen Partei an, die dadurch zu einem politischen Zentrum für solche Minderheiten wird. Nach einer ersten Phase, in der versucht wurde, moralische Vorurteile gegenüber den Homosexuellen und bestehende materielle Hindernisse zu überwinden, kandidierten zum ersten Mal in der italienischen Geschichte Homosexuelle öffentlich bei Wahlen,

und zwar auf den Wahllisten der Radikalen Partei; damit sollte unter anderem auch deutlich gemacht werden, da sich die Radikale Partei der Verteidigung der Rechte der Homosexuellen angenommen hatte.

Anfang 1970 entsteht die "Bewegung zur Befreiung der Frau" (MLD) "als Teil einer breiteren radikalen Bewegung, die eine sozialistische und freiheitliche Gesellschaft zum Ziel hat, ... da die Befreiung der Frau auch die generelle Befreiung, das allgemeine Glücklichsein bedeutet, das nicht nur den Frauen, sondern auch den Männern zugute kommt." Neben vielen anderen Zielen kämpft diese Bewegung auch für die Liberalisierung der Abtreibung. Auf das Parlament wird, auch durch massenhafte Selbstanzeigen, Druck ausgeübt, ein diesbezügliches Gesetz zu verabschieden; während gleichzeitig mit dem Informationszentrum für Sterilisation und Abtreibung (CISA) eine Abtreibungsklinik eingerichtet wird, als offener und deutlicher Ausdruck des zivilen Ungehorsams. Im Januar 1975 werden die beiden für die Klinik verantwortlichen Frauen, Adele Faccio und Emma Bonino, zusammen mit dem Sekretär der Radikalen Partei, Gianfranco Spadaccia, der sich als mitverantwortlich erklärt, festgenommen. Infolge des darauf folgenden Skandals u

nd unter dem Druck der Kampagne der Radikalen Partei sowie aufgrund einer erfolgreichen Volksabstimmung verabschiedet das italienische Parlament im Herbst 1977 ein Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung.

Gleichzeitig mit den Kampagnen für das Ehescheidungsgesetz, das Abtreibungsgesetz und ein neues Familienrecht führt die Radikale Partei auch eine Kampagne zur Herabsetzung des Alters der Volljährigkeit und für das Wahlrecht mit 18 Jahren durch; beides wird 1976 erreicht. Auch das Drogenproblem war eine ständige politische Aufgabe. Schon seit 1973 kämpfte die Radikale Partei für die Abschaffung der Strafbarkeit des Besitzes und Gebrauchs von Haschisch und Marihuana. In diesem Zusammenhang wurden viele Aktionen des zivilen Ungehorsams und Informationskampagnen organisiert. Die Radikalen legten auch einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vor. Die Radikale Partei nimmt eine klare anti-prohibitionistische Position ein und wendet sich gegen das generelle Drogenverbot, da sie der Meinung ist, nur so den illegalen Drogenhandel und den Schwarzmarkt wirksam bekämpfen zu können. Die Aktionen in Bezug auf das Drogenproblem haben bisher noch keinen Erfolg auf der Gesetzgebungsebene verzeichnet, doch kann sich die Radikal

e Partei zugute halten, die Bevölkerung gegenüber diesen Problemen sensibilisiert und repressiven, moralisierenden und kriminalisierenden Positionen Einhalt geboten zu haben.

3. GEGEN DIE PARTEIENHERRSCHAFT. GEGEN DIE SKANDALE DES REGIMES

Der Volksentscheid war für viele Jahre eine wichtige Waffe der Radikalen Partei; denn es entspricht ihrem eigenen Selbstverständnis, Themen von hoher gesellschaftlicher Bedeutung öffentlich zu diskutieren und vor allem dem Bürger selbst die Möglichkeit zu geben, direkt über die Manöver der politischen Parteien zu entscheiden. Nach der italienischen Verfassung kann mit einem Volksentscheid nur ein bestehendes Gesetz abgeschafft, nicht aber ein neues Gesetz vorgeschlagen werden. Dieses Verfassungsinstrument haben die Radikalen oft ausgenutzt, und so wurden einige Gesetze von den Staatsbürgern abgeschafft. Das hatte auf das politische System Italiens, das durchgehend unbeweglich und durch einen Mangel an Alternativen gekennzeichnet ist, eine stark erneuernde Wirkung und brachte das Land von seinem jahrzehntelangen konservativen Kurs ab. Allein schon mit dem Ingangsetzen des Mechanismus Volksentscheid (Sammeln von 500.000 Unterschriften, welches 1 % der Wahlberechtigten entspricht) wurde der Öffentlichkeit ein b

reites Themenspektrum nahegebracht, wie z.B. Bürgerrechte und -freiheiten, Antimilitarismus, Gerechtigkeit und andere wichtige soziale Probleme. Alleine oder häufig in Koalition mit anderen politischen Kräften und sozialen Gruppen haben die Radikalen Volksentscheide über folgende Probleme gefordert: Beziehung zwischen Staat und Kirche (Abschaffung des Konkordats), politische und gewerkschaftliche Meinungsäu erungsdelikte (Reform des Strafgesetzbuchs), Militärgesetzgebung in Friedenszeiten und Militärgerichtsbarkeit, Fragen der Pressefreiheit, die Abtreibungsgesetzgebung, Parteienfinanzierung mit öffentlichen Geldern, Notstandsgesetze und Einschränkung der persönlichen Freiheit, Psychatrie und psychatrische Krankenhäuser, private Jagd, die Entmilitärisierung exekutiver Körperschaften wie der Guardia di Finanza (Zoll- und Steuerpolizei), zivile Nutzung der Kernenergie, Verurteilung zu lebenslänglicher Haft, Abschaffung der Strafbarkeit des Besitzes und Gebrauchs von Marihuana, Einführung der zivilrechtlichen

Verantwortlichkeit der Richter für Justizirrtümer. Mit vielen dieser Volksentscheide wurde die Öffentlichkeit über Themen informiert und sensibilisiert, die von der Politik bisher ignoriert oder tabuisiert worden waren; einige dieser Referenden wurden, nicht zuletzt dank des gro en Engagements der Radikalen Partei, gewonnen, so z.B. die Volksentscheide über die Ehescheidung, die zivile Nutzung der Atomenergie und die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Richter für Justizirrtümer; andere haben zumindest zu einer sofortigen Änderung der fraglichen Gesetze geführt. Auf alle Fälle hat die wiederholte Anwendung des Volksentscheids eines mehr als deutlich gemacht: es besteht ein grundlegendes Einverständnis zwischen allen Parteien, auch zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien, im Innern des politischen Systems ein Machtgleichgewicht zu erhalten und mit allen Mitteln zu vermeiden, da der Wahlbürger selbst zu Wort kommt oder Einflu gewinnt, es sei denn über die Vermittlung der Parteien selbst.

Dieses besondere politische System, das die Radikalen immer bekämpft haben, wird "partitocrazia" genannt, und diese Parteienherrschaft hat ein abnormes Gewicht in allen Bereichen des Lebens bekommen. Die Radikalen haben mit ihrem Kampf offengelegt, da die politischen Differenzen und Auseinandersetzungen nicht so sehr zwischen Regierung und Opposition bestehen und ausgetragen werden, sondern vielmehr zwischen denen, die das "Parteienregime" mittragen und Teil desselben sind und denen, die es bekämpfen und sich ihm widersetzen.

Daher konnte die Radikale Partei auch eine Kraft der Minderheit sein, die die Skandale der Parteienherrschaft, die die italienische Geschichte der letzten Jahrzehnte gekennzeichnet haben, aufgedeckt und bekämpft hat. Das war aber nur möglich, weil die Radikalen sich strikt geweigert haben, an der politischen Machtausübung auf nationaler, kommunaler, wirtschaftlicher und militärischer Ebene teilzuhaben.

Einige der wenigen politischen Kräfte, die sich bemühten, 1978 den Führer der Christdemokraten Aldo Moro zu retten, waren die Radikalen. Sie eröffneten den Dialog mit den Entführern und appellierten an die verantwortlichen politischen Kräfte (v.a. Christdemokraten und Kommunisten), alle institutionellen, exekutiven und legislativen Mittel einzusetzen, um den Mord an Aldo Moro zu verhindern. 1980, während der Entführung des Richters D'Urso, erreichte die Radikale Partei durch den über ihren Radiosender "Radio radicale" geführten Dialog mit den Entführern, den schon von den "Roten Brigaden" zum Tode verurteilten Richter zu retten.

Die Verschmelzung von organisiertem Verbrechen und illegalen Geschäften mit der Politik ist in Italien weit entwickelt. Die Radikalen haben vehement die Lockheed-Affäre in die Öffentlichkeit gebracht, aufgrund derer der damalige Präsident der Republik Giovanni Leone 1978 zurücktreten mu te. Auch spielte die Radikale Partei die Hauptrolle bei der Aufdeckung und Wahrheitsfindung in den Fällen Sindona, Calvi, in dem Skandal um die Freimaurerloge P 2 sowie dem um die sogenannten schwarzen Fonds, den in der grö ten staatlichen Gesellschaft (IRI) unterschlagenen 300 Milliarden Lire (420 Millionen DM), mit denen Parteien, Politiker und Zeitungsverlage finanziert wurden.

4. ÖKOLOGIE UND kAMPF GEGEN DIE ATOMKRAFTWERKE

Die Verteidigung der Umwelt und der Kampf gegen Kernkraft, auch gegen die zivile Nutzung, hat seit den 70ger Jahren aus der Radikalen Parteie eine ausgesprochen "grüne" Partei gemacht.

Der aktive Umweltschutz hat sich in den wiederholten Forderungen nach einem Volksentscheid über die private Jagd und die Atomenergienutzung gezeigt. Auch im Parlament setzten die Radikalen ihren Widerstand gegen die vorherrschende anti-ökologische Politik fort und brachte Gesetzesanträge zum Schutz der Natur und Gesundheit ein, klagte wiederholt die aktive Anwendung der bestehenden Gesetze gegen die Umweltverschmutzung ein, protestierte gegen den nationalen Energieplan und forderte eine vernünftige Energiesparpolitik sowie die staatliche Förderung der Entwicklung alternativer Energien.

Seit ihrem Eintritt ins Parlament waren alle radikalen Abgeordneten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene im Kampf gegen die schon existierenden (in Latina und Caorso) und die geplanten oder im Bau befindlichen (Montalto di Castro, Trino Vercellese in Apulien) Kernkraftwerke engagiert. Ein Teil der Umweltpolitik der Radikalen Partei seit 1983 ist auch, grüne Koalitionen und Umweltschutz- und Bürgerinitiativen zu fördern und zu unterstützen, was dazu geführt hat, da auf regionaler und kommunaler Ebene viele dieser Gruppen in die Stadt- und Regionalvertretungen gewählt wurden. Der letzte Volksentscheid gegen die Kernkraftwerke, den die Radikalen zusammen mit diesen grünen und Umweltgruppen organisiert haben, hatte 1987 endlich Erfolg, und so ist heute der Bau und der Betrieb von Atomkraftwerken in Italien verboten.

5. GEGEN DIE WELTWEITE VERNICHTUNG DURCH DEN HUNGER

Es ist das Verdienst der Radikalen Partei, da der Kampf gegen die weltweite Vernichtung durch Hunger nicht nur in Italien, sondern auch in den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft seinen Platz gefunden hat und heute auch schon konkrete, wenn auch begrenzte Erfolge erzielt werden konnten. Das Recht auf Leben ist das höchste der Bürgerrechte, und die Radikale Partei setzt sich mit aller Kraft dafür ein, da die internationale Politik unseres Landes dieses fundamentale Recht respektiert und über eine Alternative zu der herrschenden Militär- und Machtlogik nachgedacht wird.

Seit 1979 wird versucht, den politischen Charakter dieses Dramas der Vernichtung durch Hunger deutlich zu machen. Die Regierungen der reichen Länder sind angeklagt, sich zu Komplizen des Holocaust zu machen, Konsequenz aus der herrschenden internationalen wirtschaftlichen "Un"- Ordnung. Die italienische Regierung wurde aufgefordert, ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten, besonders die "UNO-Resolution 2626", die die Industrieländer verpflichtet, mindestens 0,7 % ihres Bruttosozialprodukts als öffentliche Entwicklungshilfe auszugeben. Im Rahmen dieser Kampagne wird immer stärker die wichtige Rolle Italiens und Europas bei der Rettung der Millionen Menschen in der Dritten Welt vor dem sicheren Hungertod betont. In Rom finden Kundgebungen und Demonstrationen statt, eine au erordentliche Parlamentssitzung wird einberufen, und auf Antrag der Radikalen wird diese Frage im Europäischen Parlament behandelt. Dieses sanktioniert das Recht des UN-Sicherheitsrats mit eine "task force" gegen den Hunger einzugr

eifen.

All diese öffentlichen, parlamentarischen und gewaltlosen Aktionen sensibilisiert und mobilisiert die Öffentlcihkeit im Kampf gegen den Hunger: im September 1979 äu ert sich der Papst zu diesem Problem, als er betont, da die "Einteilung der Welt in ein Gebiet des Hungers und eines der Sattheit unerträglich ist"; im Juni 1981 veröffentlichen 54 Nobelpreisträger einen Appell, der die moralische, theoretische und politische Basis des Kampfes gegen den Hunger wird; im September des gleichen Jahres beschlie t das Europäische Parlament eine Resolution, den Appell der Nobelpreisträger anzunehmen; gleich darauf folgt ein Aufruf Willy Brandts, den zahlreiche Persönlichkeiten unterschrieben haben; im März 1982 übergeben 1200 Bürgermeister aus ganz Italien dem italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini eine Resolution, die von Pertini selbst unterstützt wird; seinen HÖhepunkt findet der Kampf gegen den Hunger in vielen gewaltlosen Aktionen, unter anderem mit den Hunger- und Durststreiks, die bis an die Grenzen de

r menschlichen Möglichkeiten von radikalen Streitern in Italien, in Frankreich (unter ihnen auch der Dominikanerpater Jean Cardonnel) und in Belgien durchgeführt werden; auch mit der in den Westen eingeführten Praxis des Satiagraha.

Ergänzend zu den Aktionen der Radikalen Partei in Italien entsteht die internationale Vereinigung "Food and Disarmament International", in der sich bekannte Persönlichkeiten, Nobelpreisträger und Staatschefs aus aller Welt zusammenfinden. Der Parteikongre im November 1981 betont den moralischen Imperativ des Kampfes gegen den Hunger und für das Leben und somit wird die folgende Präambel in das Statut der Radikalen Partei übernommen:

Die Radikale Partei proklamiert das Recht und das Gesetz, auch das Recht und das Gesetz der Radikalen Partei, und proklamiert, da nur in der Achtung desselben die Legitimität der Institutionen begründet ist;

sie proklamiert die Pflicht zum Ungehorsam, zur Verweigerung der Mitarbeit, zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, zur höchsten Form des Kampfes, des gewaltlosen Kampfes für die Verteidigung des Lebens, des Rechts und des Gesetzes, auch unter Einsatz des eigenen Lebens.

Die Radikale Parte verpflichtet sich selbst und alle Frauen und Männer, die an das Leben und den Frieden, die Gerechtigkeit und die Freiheit glauben, auf die vorbehaltlose Achtung und Verteidigung der drei fundamentalen Grundrechte, wie sie in der Erklärung der Menschenrechte - in dem Wunsch, da diese in "Persönlichkeitsrechte" umbenannt werden - und der europäischen Konvention über die Menschenrechte, sowie in Italien in der italienischen Verfassung festgelegt sind, auf die Verweigerung des Gehorsams und die Aberkennung der Legitimität denjenigen gegenüber, die diese Prinzipien verletzen, sie nicht anwenden oder sie zu rein verbalen theoretischen Verordnungen, also zu Nicht-Gesetzen machen.

Sie beruft sich auf den christlichen und humanitären Imperativ "Du sollst nicht töten" als einen historisch absolut geltenden Wert, für den es keine Ausnahmesituationen gibt, auch nicht die der legitimen Notwehr.

Sie beschlie t, da das Emblem der Partei von nun an mit einem Trauerflor versehen wird, bis zur Niederlage der Vernichtungspolitik, die Millionen von Menschen durch Hunger und Kriege sterben lä t; als Zeichen des Mitleids, des humanitären Gewissens und der Menschenwürde; als Protest gegen die verordnete Weigerung der herrschenden Parteien und Staaten, der in all diesen Monaten und Jahren vernichteten Menschen offiziell zu gedenken.

Der konkrete Erfolg der parlamnetarischen Kampagne zeigt sich in den verschiedenen, von dem italienischen Parlament verabschiedeten Resolutionen, die vorsehen, die für die internationale Entwicklungshilfe vorgesehenen Finanzmittel nach und nach von 0,03 % auf 0,3 % des Bruttosozialprodukts anzuheben; aber auch in den zahlreichen Beschlüssen lokaler und internationaler Körperschaften, v.a. in dem Beschlu des belgischen Parlaments vom März 1983, einen Spezialfond "Überleben" einzurichten und den Appell der Nobelpreisträger in die Tat umzusetzen. Ein weiterer wichtiger Erfolg der radikalen Kampagne ist der Beschlu des italienischen Parlaments im Frühjahr 1985, Sofortmittel in Höhe von 1.900 Milliarden Lire zur Bekämpfung des Hungers in der Welt zur Verfügung zu stellen.

6. DIE PARTEI DER GERECHTEN JUSTIZ

Das Bestreben, die Gerechtigkeit in all ihren Aspekten zu verwirklichen, stand und steht immer im Mittelpunkt des Engagements der Radikalen Partei. Eine gerechte Justiz ist notwendig für jede Perspektive, die auf der Herrschaft des Rechts im Gegensatz zur Herrschaft der Gewalt gegründet ist.

Während des sogenannten Notstandes (in der zweiten Hälfte der 70-er Jahre), als eine gro e Koalition fast aller Parteien einschlie lich der KPI die italienische Gesetzgebung mit Ausnahmegesetzen noch autoritärer und unliberaler machte, hat sich die Radikale Partei alleine der Verwilderung von Gesetz und Recht widersetzt.

Aber der Kampf für die Gerechtigkeit fand vor allem in Form von Aktionen zivilen Ungehorsams statt, in den Gerichtssälen , in den Gefängnissen, auf der Stra e. Aber auch durch das öffentliche Aufgreifen exemplarischer Fälle wie zuerst 1969 den Fall Braibanti, der das gewalttätige Verhalten der Justiz gegenüber einem intellektuellen Au enseiter zeigte, der wegen eines "Plagiat"vergehens hart verurteilt wurde.

Ein weiterer Bereich traditionellen Engagements der Radikalen Partei sind die Gefängnisse, deren physischen und menschlichen Bedingungen, die Rechte der Gefangenen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der dort diensttuenden Gefängnisbeamten durch ständige Besuche und Gesetzesvorschläge.

Die Notstandsgesetzgebeung hat zur Verlängerung der Untersuchungshaft auf über 12 Jahre geführt, soda die sogenannten Terroristen-Prozesse mit vielen Jahren Verspütung nach der Festnahme der Angeklagten beginnen. Gegen diese Art der Inhaftierung, verstanden als vorweggenommene Bu e einer noch nicht ausgesprochenen Strafe, und gegen die Trägheit, mit der die Prozesse geführt werden, hat die Radikale Partei durch das Aufgreifen der exemplarischen Fälle Toni Negri und später Enzo Tortora gekämpft.

Der Führer einer Arbeiterbasisgruppe, festgenommen am 7. April 1979, nur oberflächlich verhört und ohne Proze in Untersuchungshaft gehalten, wird bei den politischen Wahlen im Juni 1983 auf der radikalen Liste als Kandidat aufgestellt und in die Abgeordnetenkammer gewählt. Obwohl er kein Radikaler war und wurde, obwohl seine Ideologie meilenweit von der des Rechts und der Gewaltlosigkeit entfernt ist, wurde Negri symbolisch für die vielen Angeklagten, die viele Jahre ohne Proze inhaftiert sind, aufgenommen. Als von der Abgeordnetenkammer, mit Zustimmung der Radikalen Partei, die Festnahme Negris autorisiert wird, setzt sich Negri nach Frankreich ab, und bricht so das in ihn gesetzte Vertrauen.

Ganz anders verläuft der Fall Tortora. Der berühmte Fernseh-Showmaster wird 1984 auf der Liste der Radikalen Partei ins Europa-Parlament gewählt. Einmalig in der Parlamentsgeschichte fordert Tortora nicht nur die Genehmigung für einen Proze , sondern legt auch sein Mandat als Europa-Abgeordneter nieder, verzichtet freiwillig auf seine Immunität und kehrt in die Untersuchungshaft zurück. Nachdem er zum Präsidenten der Radikalen Partei gewählt wird, führt er im Hausarrest einen beispielhaften Kampf für eine gerechte Justiz, obwohl er in erster Instanz als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (Mafia) und wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe von mehr als zehn Jahren verurteilt wird. Doch in der Berufungsverhandkung im September 1986 wird Tortora wegen erwiesener Unschuld freigesprochen.

Durch den Fall Tortora, dessen sich die Radikale Partei als exemplarischen Fall angenommen hatte, erhält der Kampf für eine gerechte Justiz nationale Aufmerksamkeit. Die Dauer der Untersuchungshaft wird reduziert, wenngleich sie noch immer unverhältnismä ig lang ist, und die "Frage der Gerechtigkeit" wird zur nationalen Frage. Dadurch wird der Volksentscheid von 1987 für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Richter ein aufsehenerregender Erfolg.

7. DIE PARTEI DES ANTI-MILITARISMUS UND DER GEWALTLOSIGKEIT

Der Kampf gegen den Militarismus kennzeichnet von Beginn des neuen Kurses an die Radikale Partei. 1967 fordert sie die Umwandlung der militärischen in zivile Strukturen und den Austritt aus der NATO. 1968 klagt sie die nationalen und nationalistischen Mythen an, 1969 organisiert sie den ersten Marsch gegen den Militarismus und veröffentlicht ein Wei buch über die Militarisierung einiger Regionen. 1970 verbündet sie sich mit internationalen Organisationen mit dem Ziel der gesetzlichen Anerkennung der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Dieses Gesetz wird 1972 nach den dramatischen Hungerstreiks radikaler Aktivisten verabschiedet.

Viele Jahre lang, zwischen 1960 und 1970 werden in den nord-östlichen Regionen Italiens Märsche gegen den Militarismus unter Teilnahme von Tausenden von Jugendlichen durchgeführt. 1978 wird als europäisches Symbol ein französischer Wehrdienstverweigerer, Jean Fabre, zum nationalen Sekretär der Radikalen Partei gewählt. Er wird später verhaftet und wegen Wehrdienstverweigerung verurteilt. 1977 führt Marco Pannella einen weiteren Hungerstreik in Spanien durch mit dem Ziel, das Recht auf Wehrdienstverweigerung in der Verfassung dieses Landes zu verankern. 1979 organisiert die Radikale Partei zusammen mit anderen europäischen gewaltlosen Bewegungen die "Karawane für Abrüstung" Brüssel-Warschau. 1980 durchquert ein anderer von den Radikalen organisierter Marsch von Avignon und Brüssel kommend Italien und Jugoslawien. Die Aktion erhält so eine europäische und internationale Dimension, und die Abgeordneten der Radikalen Partei setzten das Thema auf die Tagesordnung des Europäischen Parlaments in Stra burg. 1985 mac

ht ein junger Belgier, Olivier Dupuis, seine Gewissensentscheidung vor der Armee geltend und geht dafür fast ein Jahr ins Gefängnis.

Der gewaltlose Anti-Militarismus in den kommunistischen Ländern Osteuropas ist eng mit der Aktion zur Verteidigung der Menschenrechte verbunden. In dieser Hinsicht hatte sich die Radikale Partei schon mit ihren Kundgebungen, sit-ins, spontanen Aktionen und Hungerstreiks anlä lich des sowjetischen Einmarsches in die Tschechoslowakei engagiert. Seitdem fanden zusammen mit "War Resistence International" unzählige spontane Aktionen und Kundgebungen in kommunistischen Städten statt, zum Beispiel in der Tschechoslowakei, Polen, UdSSR, Bulgarien, die oft mit Festnahmen, Prozessen und Ausweisungen endeten.

Die Radikalen unterstützen das Recht auf Einmischung in die inneren Angelegenheiten totalitärer Länder des Ostens zur Durchsetzung der Bürgerrechte. Diese Form des aktiven Kampfes gegen den Willen der kommunistischen Autoritäten führte zur Ausreise der kleinen Töchter des bulgarischen Ehepaars Filipov, die aus politischen Gründen nach Italien geflohen und von ihrer Familie getrennt worden waren.

Ein Zeugnis des Kampfes der Radikalen Partei für die Menschenrechte wurde auf dem Parteitag von 1986 von Wladimir Bukowsky abgelegt: "Ihr habt in den kommunistischen Ländern eine sehr wichtige Informationskampagne begonnen. Wer soll sie weiterführen, wenn ihr aufhört ? Ihr habt eine sehr wichtige Arbeit begonnen, um einen neuen Weg, einen dritten Weg zu suchen, der weder einer der Kapitulation vor noch einer der Wiederaufrüstung gegen die UdSSR ist. Wer soll ihn weitergehen, wenn ihr aufhört ? " Leonid Pliusc schreibt seinerseits bei gleicher Gelegenheit: "Schon seit neun Jahre verfolge ich die Aktionen der Radikalen Partei auf dem Gebiet der Menschenrechte in den sogenannten sozialistischen Ländern und auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen dem Westen und den Ländern des Warschauer Paktes. Obwohl ich die Politik der Radikalen nicht vollständig teile, glaube ich, da viele Ideen und viele Methoden dieser Partei zur Lösung der Probleme der aktuellen internationalen Situation notwendig sind."

8. DIE TRANSNATIONALE PARTEI DER VEREINIGTEN STAATEN VON EUROPA

Seit ihrer Gründung hat die Radikale Partei die nationale Dimension abgelehnt. In diesem theoretischen und politischen Rahmen wurden viele Kämpfe für Freiheit und Demokratie geführt, die den seiner Zeit bestehenden wirtschaftlichen, finanziellen, kulturellen, wissenschaftlichen und miltitärischen Strukturen der Epoche angemessen waren. Die Radikale Partei, obwohl sie sich nie erklärterma en als nationale Partei verstanden hat, war in den drei ig Jahren ihres Bestehens fast ausschlie lich in die italienische politische und institutionelle Realität eingebunden. Der Parteitag der Radikalen Partei im Januar 1988 wurde zum Wendepunkt für die Partei, als der folgende Beschlu verabschiedet wurde:

"Keines der gro en Probleme unserer Epoche, von denen das Schicksal der Menschheit, das Leben des Rechts und das Recht auf Leben eines jeden Menschen abhängt, kann heute noch in einem nur nationalen Rahmen angegangen und gelöst werden. Es müssen übernationale Institutionen, übernationale demokratische Kräfte, übernationales positives Recht und übernationale Gesetze geschaffen werden, um mit dem Beispiel des historisch reifen Ziels der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa zu beginnen

Aus diesen Gründen beschlie t die Radikale Partei, sich als transnationale politische Kraft neu zu gründen, transnational nicht nur in ihren politischen Zielen und Programmen, sondern auch in seinen konkreten Parteistrukturen. Die Radikale Partei ist ab heute eine politische Organisation, die über nationale Grenzen hinausgeht, und eine Partei, die allen, auch Mitgliedern anderer Parteien, offensteht. Die Radikale Partei als solche nimmt nicht mehr an nationalen Wahlen teil.

Der Parteitag legt die folgenden politischen Schwerpunkte und politischen Initiativen fest, jede von ihnen bestätigt und entwickelt den transnationalen Rahmen eines mehr als drei igjährigen Engagements in Italien.

1. Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, unter Respektierung der kulturellen Unterschiede und Besonderheiten der europäischen Regionen;

2. Kampf gegen den Totalitarismus und für die Menschenrechte;

3. Kampf gegen die Vernichtung durch den Hunger, gegen den Militarismus und für Sicherheit;

4. Abschaffung des Drogenverbots, verstanden als Kampf gegen die Drogenkriminalität, die Drogenkultur und -ideologie, die nur auf der Basis des illegalen Drogenmarktes entstehen kann;

5. Verteidigung und Verwirklichung des Rechtsstaates;

6. Umweltschutz, alternative Energiepolitik und Schutz des gesamten ökologischen Systems.

 
Argomenti correlati:
stampa questo documento invia questa pagina per mail