BSE * Von ihren vielen Feinden fürchtet sie keinen

Von Dietmar Seher

Wer es mit dieser Frau zu tun bekommt, hat einiges zu erwarten. Denn Emma Bonino ist schon gegen viele Gegner vorgegangen. Und dabei hat sie etwa im Umgang mit den Herstellern von Barbie-Puppen oder militärischem Spielzeug nie ein Blatt vor den Mund genommen. Jetzt will die EU-Kommissarin für Verbraucherschutz zwischen Dublin, Antwerpen und Kaltenkirchen auch unter den mutma lichen Exporteuren von britischem Rindfleisch aufräumen.

Dabei verfügt die 50jährige Italienerin erst seit kurzer Zeit über die Zuständigkeit, die ihr nun erlaubt, von Deutschland die Schlie ung eines offenbar beim "Beef"-Schmuggel ertappten Fleischbetriebes in Schleswig-Holstein zu fordern. Aufgeschreckt durch den BSE-Skandal und bedroht von der Ankündigung des Europaparlaments, notfalls der ganzen Kommission den Laufpa zu geben, entschied sich EU-Kommissionspräsident Jaques Santer im Frühjahr zu einer Ressortumbildung, wodurch Bonino neue Kompetenzen erhielt. Nicht mehr der österreichische Agrarkommissar Franz Fischler sollte die Aufsicht über die Lebensmittelhygiene in der Gemeinschaft haben, sondern seine italienische Kollegin. Ein echter Fortschritt, darüber ist man sich in Brüssels EU-Viertel und vor allem im Stra burger Parlament inzwischen einig. Fischler sei doch viel zu sehr mit der Lobby der Bauern und Agrarminister verbandelt.

Die Frau aus Bra in der Provinz Cuneo ist nach eigener Aussage "eine leidenschaftliche Anhängerin des zivilen Ungehorsams". Eine Behauptung, die von ihrer Biografie zweifellos gestützt wird. Die Kommissarin dürfte das einzige Mitglied der hehren 20köpfigen Brüsseler Runde sein, das bereits im Gefängnis gesessen hat - 1975 war das, drei Wochen lang. Bonino, die sich zuvor selbst aus finanziellen Gründen zu einer Abtreibung gezwungen sah, hatte anschlie end auch anderen schwangeren Frauen Abtreibungsadressen vermittelt. Imkatholischen Italien war das ein strafbarer Tatbestand.

Feministin und gleichzeitig ein Familienmensch zu sein, darin lag für Emma Bonino nie ein Widerspruch.

Noch heute ärgert es sie ma los, da die Polizei ausgerechnet am Tag der Hochzeit ihres Bruders zu ihrer Festnahme schritt.

Und so viel sie heute zwischen Brüssel, Luxemburg, Stra burg und Italien hin- und herreist, so sehr pflegt sie den Kontakt zu ihrer Mutter und den zwei Pflegetöchtern.

In den siebziger Jahren war Bonino eine linke Kämpferin.

Sie organisierte Demonstrationen für ein liberales Scheidungsrecht, protestierte gegen die Atomkraft - und demonstrativ mit einem Strick um den Hals gegen die Todesstrafe.

Heute ist sie etwas weniger links, gehört noch immer der Radikalen Partei Italiens an, war zeitweilig sogar deren Vorsitzende und wird als Politikerin dennoch weithin geachtet.

Da in Italien die Zustimmung zum Euro über die Jahre immer weiter wuchs, ist auch der meist sehr wortreichen Überzeugungsarbeit Boninos zu verdanken, die als leidenschaftliche Anhängerin der Währungsunion gilt.

Offenheit ist - ganz im Gegensatz zu anderen Figuren der Brüsseler Szene - ihr Grundsatz.

Auch wenn das Proteststürme bringt wie nach ihrer spektakulären Forderung, den Fischfang um 40 Prozent einzuschränken.

Als Europaabgeordnete verfocht sie die Bürgerrechte in der Union.

Jetzt will sie der Brüsseler Verbraucherschutzpolitik und ihren noch schwach ausgebildeten Instrumenten endlich mehr Respekt verschaffen.

Dafür bildete Bonino als erstes eine schlagkräftige Stabsstelle mit dem deutschen Generaldirektor Horst Reichenbach an der Spitze.

Sie verstärkte au erdem die Zusammenarbeit mit der neuen europäischen Anti-Betrugs-Einheit Uclaf, die ihrer Kommissions-Kollegin Anita Gradin untersteht.

Auch die Zahl ihrer Lebensmittel-Inspektoren wird in den nächsten Jahren weiter anwachsen.

Boninos Engagement führte dazu, da binnen kurzer Zeit schon Fleischbetriebe in Belgien und Gro britannien wegen Embargoverstö en dichtmachen mu ten.

Der Streit mit Deutschland, dessen Rolle als Unschuldslamm in Sachen BSE Emma Bonino enttarnt hat, wird ein weiterer Prüfstein ihrer Durchsetzungsfähigkeit sein. Zu ihren vielen Feinden werden neue hinzukommen.

Doch Bonino ist zuversichtlich."Wer mich kennt", sagt sie mit ruhiger Stimme, "der wei : Ich gebe nicht auf".